Schlusslicht oder Vorreiter?

Abseits der Streitigkeiten über Unterrichtsausfälle und Hilfslehrer keimt in der rheinland-pfälzischen Schullandschaft ein Pflänzchen auf, das sich andernorts längst zu einem veritablen Kaktus entwickelt hat: das auf acht Jahre verkürzte Gymnasium, kurz G8 oder Turbo-Abitur.

Die Idee hinter G8 ist unter anderem das Aufschließen zum internationalen Standard. In fast allen Industriestaaten erreichen Schüler den Zugang zu Universität oder Beruf schneller als in Deutschland. Um diesen Wettbewerbsnachteil auszuräumen, verordneten die Länder mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz ihren Gymnasiasten ratzfatz eine höhere Lerngeschwindigkeit - und ernteten wütende Proteste. Denn statt Lehrpläne zu entrümpeln, verdichtete man einfach das Pensum. Die Folge dieser unausgegorenen Hauruck-Reform: überforderte und genervte Schüler, Eltern, Lehrer. Trotz mancher Nachbesserungen wirken Frust und Ärger weiter.

Was anderswo also als Pest gilt, ist hierzulande ein Privileg. Nach dem Motto, wer ein Ziel hat, sollte auch den Weg dorthin kennen und bereiten, entzog sich die Mainzer Regierung einfach dem Tempo-Rausch, plante gründlich und setzt bei G8 auf Freiwilligkeit und intensive Betreuung im - zugegeben teuren - Ganztagsbetrieb. Schulen müssen sich sogar um den achtjährigen Bildungsgang, der noch als Modellversuch angelegt ist, bewerben.

Gymnasialleiter aus München, Stuttgart, Frankfurt oder Hannover hätten diese Woche wohl Kulleraugen bekommen, wenn sie erlebt hätten, wie sehr sich ihr Traben-Trarbacher Kollege über die G8-Genehmigung freute. Drei Jahre hat er dafür gekämpft. Bald ist er einer von demnächst 17 im Land, die beweisen können, dass Akzeptanz Besonnenheit voraussetzt.

Isabell Funk

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