Standpunkt: Die Globalisierung der Mission Bauch

Was waren wir einst pikiert über den ehemaligen italienischen Regierungschef und Großunternehmer Silvio Berlusconi, der am laufenden Band mit seinen berühmten Bunga-Bunga-Partys, mit Sex-, Korruptions- und Bestechungsaffären von sich reden machte. Ganz Europa rümpfte die Nase.

Sein Abtritt als Ministerpräsident ist gerade mal fünf Jahre her, sein Rauswurf aus dem Senat wegen einer Verurteilung als Steuerbetrüger drei. Und wie harmlos erscheint uns im Rückblick dieser ,,Clown mit einem besonderen Testosteronschub". So nannte ihn der einstige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und löste damit einige diplomatische Verwicklungen aus. Damals. Vor kurzem.

Heute gibt es Donald Trump, republikanischer Präsidentschaftskandidat der Super- und Atommacht USA, vor dem sogar einflussreiche Republikaner warnen und ihn als Sicherheitsrisiko einstufen. Gegen ihn wirkt der Populismus eines Berlusconi schon wieder putzig. Trump, der sich mit einer bisher nicht gekannten Hemmungslosigkeit als oberster Tabubrecher inszeniert, der Rassismus predigt, Behinderte verhöhnt, Frauen verunglimpft, sich über die Eltern eines gefallenen US-Soldaten lustig macht, die Waffenlobby anstachelt, der allenthalben Hass sät. Für dieses Gerülpse gegen das Establishment lieben ihn seine Anhänger. Und das sind viele. Je wahlloser und absurder Trumps Grenzüberschreitungen, je gröber und brutaler seine Rundumschläge, desto mehr Ekstase. Welche Konsequenzen es hätte, wenn der Immobilienmilliardär tatsächlich demnächst ins Weiße Haus einzöge, darüber machen sich die Vielen nicht so viele Gedanken. Wenn der Bauch sich entleeren will, hat das Hirn Pause.

Gedanken hat sich auch die Mehrheit der Briten nicht gemacht, als sie, aufgepeitscht vom Chef-Populisten und heutigen Außenminister Boris Johnson, für den Brexit stimmte. Hauptangriffsziel waren Flüchtlinge und Ausländer - auch Zuwanderer aus dem EU-Raum.

Die Verhandlungen über den Austritt aus der Europäischen Union haben noch nicht einmal begonnen, da schwächeln Pfund und Konjunktur, da trübt sich die Stimmung in der Wirtschaft dramatisch ein, da planen Investoren den Rückzug, da droht massiver Arbeitsplatzverlust, da wollen bereits jetzt 600000 vor allem junge, gut ausgebildete Briten ihr Land verlassen. Und niemand weiß, was wird, wenn der Brexit erst einmal vollzogen ist. Das sind die Folgen einer Schicksalsabstimmung, bei der die Mehrheit sich taub stellte gegenüber Argumenten und lieber Demagogen mit simplen Lügenkampagnen auf den Leim ging.

Am 13. August vor genau 55 Jahren, begann der Mauerbau in Berlin. 40 Jahre dauerte die politische, davon 28 Jahre die in Stein gemeißelte deutsch-deutsche Teilung. Fast genauso lange, wie die Mauer stand und die DDR-Bürger einsperrte, ist die Wiedervereinigung her. Am 4. September sind in Mecklenburg-Vorpommern, am 18. in Berlin Landtagswahlen. Und vor allem in Meck-Pomm deutet sich ein politisches Erdbeben an. Die rechtspopulistische AfD steht in Umfragen bei 19 Prozent. Tun muss sie dafür nicht viel, außer Bäuche zu streicheln. Die Wut über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, insbesondere der Kanzlerin, reicht aus, um ihr Überzeugungs- und Protestwähler zu bescheren.

Die Zahl der Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern liegt gemessen an der Gesamtbevölkerung bei unter einem Prozent. Gleichwohl rühmt sich die AfD, vom Osten aus eine zweite Wende einleiten zu wollen. Wohin? Zurück zu Mauer und Stacheldraht - den Schießbefehl nicht zu vergessen - dieses Mal um ganz Deutschland herum?

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