Zivilcourage ist zumutbar

Am Mittwoch wurde Tugce beerdigt. Die deutsch-türkische Studentin aus Hessen starb, weil sie zwei Mädchen, die von mehreren Männern bedrängt wurden, helfen wollte und dadurch selber Opfer wurde.

Am vergangenen Wochenende versuchten Passanten in Trier, fünf Männer daran zu hindern, einen Gullideckel auf die Straße zu werfen. Sie wurden brutal attackiert, die beiden herbeigerufenen Polizisten - ein Mann und eine Frau - wurden krankenhausreif geprügelt. Anfang des Jahres endete der Einsatz eines Trierer Studenten gegen einen Randalierer, der wahllos geparkte Autos beschädigte, mit einer Notoperation. Der Täter hatte ihm schwere Verletzungen mit dem Messer zugefügt. Eine ähnlich große nationale Betroffenheit wie das Schicksal Tugces löste vor fünf Jahren der gewaltsame Tod des Münchner Geschäftsmann Dominik Brunner aus. Er hatte Schüler schützen wollen, die von anderen Jugendlichen angegriffen worden waren, und bezahlte dafür mit dem Leben. Durch ihr beherztes Eingreifen vor Schlimmerem bewahrt haben drei junge Sportsfreunde aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich bei einem nächtlichen Stadtbummel eine Frau, auf die ein Mann hemmungslos eintrat. Dafür erhielten sie am Donnerstag von der Landesregierung den Preis für Zivilcourage. Das sind die krassen Beispiele. Fälle, die an die Öffentlichkeit dringen, weil sie spektakulär sind. Ebenso fürchterlich wie der Tod von Tugce und Brunner ist die Vorstellung, dass niemand den Menschen geholfen hätte, die diese zu verteidigen suchten. Aber gewöhnlich bedeutet Zivilcourage ja nicht gleich, Gewalttäter, die ausrasten, zu stoppen. Es gehört auch Mut dazu, den Kollegen oder gar den Chef, der einen üblen Schwulenwitz reißt und viele Lacher auf seiner Seite hat, in seine Schranken zu weisen. Es kostet Überwindung, die eigentlich ganz nette Nachbarin, die im Verdacht steht, ihr Kind zu schlagen, offen anzusprechen oder umgekehrt entschieden gegen falsche Gerüchte einzuschreiten. Zivilcourage, das ist vor allem die kleine Tapferkeit im Alltag. Das sind die vielen Situationen, in denen Menschen sich vor andere stellen, die gehänselt, angepöbelt oder verhetzt werden. Nicht Angst verhindert Zivilcourage, sondern Ignoranz.Isabell Funk, Chefredakteurin

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