Vor 25 Jahren

In diesen Tagen erreichen Sie uns wieder, die Bilder und Berichte von der ersten spektakulären Massenflucht aus der DDR. Über Ungarn, das damit begonnen hatte, seine westlichen Grenzbefestigungen abzubauen, flohen am 19. August 600 DDR-Bürger in den Westen.

Als am 9. November die Berliner Mauer fiel, waren über Prag, Budapest und Warschau 200 000 Übersiedler in bundesdeutschen Auffanglagern angekommen. Das ist jetzt 25 Jahre her. Es erscheint auch rückblickend noch wie ein Wunder, dass die deutsche Teilung friedlich überwunden wurde, dass die ostdeutsche Bevölkerung sich mit mutiger Entschlossenheit, aber ohne Gewalt aus einem Unrechtssystem befreien konnte und so die Wiedervereinigung einleitete. Aber von der anfänglichen Begeisterung in Ost und West ist nicht viel geblieben. Bestenfalls ist das vereinte Deutschland Normalität mit all den Nickligkeiten, die das Zusammenleben mit sich bringt. Die immer wieder aufflammende Diskussion um den Solidaritätszuschlag ist ein Beispiel dafür. Dabei haben wir gerade heute angesichts der jüngsten weltweiten Krisenherde allen Grund, diesen Volksaufstand, der ohne Blutvergießen vonstattenging, als zivilisatorische Errungenschaft zu feiern. Krieg in der Ukraine, das erbarmungslose Abschlachten im Nordirak, Krieg in Gaza, der fast schon aus dem Gedächtnis gefallene Bürgerkrieg in Syrien, das Wiederaufflammen blutiger Rassenunruhen in den USA - all diese Konflikte haben völlig unterschiedliche Ursachen. Aber sie zeigen auch, dass Frieden eben nicht Normalität ist und Revolutionen gewöhnlich nicht so glücklich verlaufen, wie die vor 25 Jahren.

Isabell Funk, Chefredakteurin

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