Trierisch Balaawern

E Leemaorsch hat im Trierischen zunächst nichts mit dem menschlichen Hinterteil zu tun und ist auch nicht als Schimpfwort für jemanden zu verstehen, der sich bequem auf dem Sofa niederlässt. Wu datt Dröddewaor noch nicht gepflastert war oder sich ein freies Stückchen Gelände fand, gaof en klaan Käulschi gegraowen fir Kligger ze spöllen.

Kligger oder auch etwas abwertend Leemaorsch genannt, waren Tonkugeln, tonfarbig oder einladender mit Farbüberzügen versehen, die aus einem vorher von den Spielern vereinbarten Abstand önn en klaan Kaul befördert wurden. Bestand die Kugel aus Glas, war das etwas Besonderes onn kaa Leemaorsch mie. Eine Spielvariante waor de Faudelkösd, ein Schuhkarton, der mit dem Boden nach oben und mit kleinen Ausschnitten in der breiten Seite nach unten auf den Boden gestellt wurde. Die unterschiedlich großen Ausschnitte waren mit Nummern versehen. Je kleiner der Ausschnitt, je höher die Zahl für den Gewinn. Gelangte mittels präzisem Werfen ein Leemaorsch durch die Öffnung ins Innere, gewann der Werfer die Anzahl von Leemärschen, die über dem Einlass notiert waren. Traf der Leemaorsch keinen Ausschnitt und prallte vor de Faudelkösd, waor dä Leemaorsch verlor und ging an den Besitzer der Faudelkösd. Im Computerzeitalter ist dieses Spiel nicht mehr auf der Straße anzutreffen. Ein Leemaorsch ist nicht nur ein kleines, vielleicht farbiges Tonkügelchen, sondern auch die Bezeichnung für die Bewohner des Stadtteils Kürenz. Woher sich diese leicht abwertende Bezeichnung für die Kürenzer ableiten lässt, ist nicht eindeutig nachzuweisen. Es sind zwei Erklärungsversuche bekannt. Mit dem kleinen Tonkügelchen hat keine Deutung zu tun, jedoch mit dem Material. Ton, auch Leem genannt, wurde in früheren Jahren in Kürenz abgebaut, so dass das Material auf die Bewohner übertragen wurde. Spekulativ kann die strapazierfähige lederne Arbeitskleidung für den Aorsch verantwortlich sein. Eine weitere Erklärung deutet auf eine sprachliche Variante hin. Den Kürenzern wurde nachgesagt, dass sie das Wort lahm mit lääm aussprechen würden. Und dieses lääm führte schließlich durch die phonetische Umdeutung zu Leemaorsch durch die Trierer. Josef Marx ist Autor des Trierer Wörterbuchs, das im Trier-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich ist. Gemeinsam mit Horst Schmitt hat er mehr als 10 000 Stichwörter in Hochdeutsch-Trierisch und Trierisch-Hochdeutsch zusammengetragen. Die beiden Autoren erläutern in unserer Kolumne "Trierisch balaawern" wöchentlich Besonderheiten der Trierer Mundart.

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