Kolumne: Wer wir sind

Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Wir sind eine Generation der gelebten Widersprüche. Das hat das Marktforschungsinstitut Allensbach in seiner Untersuchung „Generation Mitte - Zukunftsmacher wider Willen“ herausgefunden. Wir, das sind in diesem Fall etwa 35 Millionen Frauen und Männer zwischen 30 und 59.

Wir trauern Tante-Emma-Läden hinterher, kaufen aber schon lange bei Amazon & Co. ein. Wir möchten, dass unsere Kinder Bücher lesen, informieren uns aber über Handys oder Tablet-PC. Wir können uns ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen, verspüren aber gleichzeitig ein großes Unbehagen gegenüber der Digitalisierung.

Dank des NSA-Skandals um Edward Snowden fürchten wir den allumfassenden Datenmissbrauch. Unser Nutzungsverhalten haben wir deswegen aber nicht geändert. Seien wir ehrlich, wir sind stolz darauf, unsere Daten auf Facebook zu hinterlegen und nicht mehr wie in unserer Elterngeneration Kinder oder nette Verwandte zu benötigen, denen man einen SMS diktieren konnte.

Die Digitalisierung der Gesellschaft ist das Thema unserer Generation. Mehr als jeder Dritte spürt dadurch Veränderungen in der Arbeitswelt. Bereits jeder Zweite beklagt, dass er ständig erreichbar ist, fordert vom Arbeitgeber aber andererseits eine bessere Ausstattung mit Tablet-PC oder Diensthandys. Die Arbeitswelt steht vor der nächsten Revolution. Datenbrillen wie Google Glass werden unseren Alltag grundlegend verändern. Mit ihr können selbst ungelernte Arbeiter komplexe Aufgaben erfüllen. Schulungen werden so überflüssig. Marktforscher wie Gartner versprechen allein dadurch Produktivitätssteigerungen von 30 Prozent.

Die Digitalisierung ist für unsere Generation am ehesten vergleichbar mit der Erfindung des Rads oder der Nutzbarmachung des Feuers. Der Unterschied zu vorherigen Jahrhunderten ist jedoch, wie klaglos wir diese Veränderungen hinnehmen, oder hat schon einmal jemand etwas von Aufständen gegen den Ausbau der Internetverbindungen gehört? Stattdessen sollten wir uns klarmachen, dass wir vermutlich die erste Generation sind, die bewusst an einer Revolution teilnimmt. Wir müssen nicht erst auf das Urteil von Historikern warten, um die Reichweite der Veränderungen zu realisieren. Stattdessen sollten wir die Chance ergreifen, den technologischen Wandel so zu beeinflussen, dass er für uns nützlich ist und nicht umgekehrt.

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