Kolumne: Der Computer als Chef

Trier · Generationen von Arbeitnehmern haben sich schon damit beschäftigt, die Aussagen ihrer Vorgesetzten zu interpretieren und zu verstehen. Karriereratgeber füllen mittlerweile so viele Bücherregale, dass selbst die Erbauer der Bibliothek von Alexandria an der Fülle an Wissen verzweifeln würden, und nun könnten sich diese Kenntnisse schon bald als nutzlos erweisen.

Der Grund: Das Finanzunternehmen Deep Knowledge Ventures in Hongkong hat als erste Firma weltweit eine künstliche Intelligenz (KI) in den Vorstand berufen. Dort entscheidet das Programm seit Mai 2014 zusammen mit seinen fünf menschlichen Vorstandskollegen über Millioneninvestitionen in Start-ups. Es wertet dafür beispielsweise klinische Studien aus oder prüft Finanzierungsmöglichkeiten.

Konkret hat das Programm bereits zwei Biotechnologie-Firmen gekauft. Auch wenn künstliche Intelligenzen in Vorständen zunächst die Ausnahme bleiben werden, ist die Entscheidung ein Hinweis auf bevorstehende radikale Veränderungen in der Arbeitswelt. Nach einer Studie der Universität Oxford könnten in den nächsten zwanzig Jahren etwa 47 Prozent der Stellen in den Vereinigten Staaten durch Automatisierung wegfallen.

Bis sich KI auch in deutschen Vorständen durchsetzen, wird es allerdings eine Weile dauern. Wer will schon mit einer Maschine über das eigene Gehalt verhandeln müssen? Stellen Sie sich vor, immer dann, wenn Sie sich mit der KI einig zu sein scheinen, gibt es plötzlich einen Absturz. Das kann dann natürlich Pech sein oder geschickte Verhandlungsstrategie.

t.zeller@volksfreund.de

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