Bildung schützt nicht mehr vor Armut

Trier · Gute Bildung galt lange Zeit als Garant für eine sichere Zukunft. Doch dieses Versprechen ist in Deutschland nicht mehr einzuhalten.

Bereits jeder zehnte Akademiker arbeitet bei uns im Niedriglohnsektor. Das geht aus Berechnungen des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen hervor. Tendenz steigend.

Damit eskaliert ein Bildungswettlauf, der mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begonnen hatte. Vor dieser Zeit war Bildung das Privileg des Adels, eines kleinen Bürgertums, reicher Großgrundbesitzer und der Kirche. Mit der Industrialisierung wuchs nicht nur das Einkommen der Arbeiter, sondern es verbesserte sich auch deren Bildung. Heutzutage haben in Deutschland so viele Menschen Zugang zu guter Bildung wie nie zuvor.

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes gab es im vergangenen Jahr 370 000 Abiturienten. 2,6 Millionen junge Menschen studierten im vergangenen Wintersemester. Das sind beeindruckende Zahlen, die allerdings auf ein Dilemma hindeuten. In einer Marktwirtschaft gilt der Leitsatz: Je häufiger ein Gut vorhanden ist, umso günstiger wird es.

Übertragen auf unser Schul- und Universitätssystem heißt das: Je mehr Menschen besser gebildet sind, umso weniger ist ihr Wissen wert. Denn das höhere Ausbildungsniveau hat nicht dazu geführt, dass mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, stattdessen sind die Anforderungen an die Arbeitnehmer gestiegen. Für Berufe, für die früher ein Hauptschulabschluss genügte, wird jetzt Fachabitur verlangt.

Das ist nicht nur ein Problem für die Hauptschüler, sondern führt bei den Unternehmen zu einem Fachkräftemangel. Aus diesen Punkten jedoch zu schlussfolgern, Deutschland könnte seine Ausbildungsausgaben reduzieren, wäre falsch. Durch den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und die Einführung weiterer Ganztagsschulen sind diese zwar im vergangenen Jahr auf einen neuen Rekordwert gestiegen.

Allerdings liegen sie immer noch deutlich unter dem Durchschnitt anderer Industrieländer. Um nicht den Anschluss im globalen Wettbewerb zu verlieren, werden wir deshalb künftig noch mehr in diesen Bereich investieren müssen. Selbst dann, wenn der Sprint im Bildungswettlauf des 21. Jahrhunderts nicht mehr automatisch materiellen Wohlstand bedeuten wird. t.zeller@volksfreund.de

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