Meilenstein in der historischen Landschaft

Trier als Vorreiter auf neuen Wegen der Museumspräsentation: Das Millionenprojekt "Im Reich der Schatten" macht es möglich. Das ehrgeizige Ziel: Aus stummen Steinen sollen lebendige Zeitzeugen werden.

 Riesige Schriftzeichen werden auf Wände und Säulen projiziert. TV-Foto: Friedemann Vetter

Riesige Schriftzeichen werden auf Wände und Säulen projiziert. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Die offiziellen Funktionsträger haben ihr Sonntagsgesicht aufgesetzt. Ein "Projekt von europäischer Bedeutung" diagnostiziert der eigens angereiste Mainzer Kulturstaatssekretär Walter Schumacher, einen "echten Prototypen" kündigt Museumsleiter Eckart Köhne an. Einen "deutlichen Sprung nach vorn" prognostiziert ADD-Chef Josef Peter Mertes, der ohnehin dreinblickt wie eine Katze, die in den Sahnetopf gefallen ist.

Kein Wunder, hat der gefühlte Regierungspräsident Mertes doch die Weichen gestellt für die Finanzierung eines Projektes, das Köhne "unser Abenteuer" nennt. Rund eine halbe Million Euro haben findige ADD-Mitarbeiter losgeeist, und zwar ausgerechnet in EU-Töpfen für die Entwicklungsförderung des ländlichen Raumes. Das Land hat noch einmal die gleiche Summe draufgelegt. Es kommt heutzutage nicht oft vor, dass Kultureinrichtungen über freie Fördermittel in solch astronomischen Höhen verfügen.

Wie gut das Geld angelegt ist, demonstrieren Köhne und seine Mitarbeiter im "Neumagener Saal" des Museums. 50 monumentale Grabdenkmäler, fast 2000 Jahre alt, erfreuen dort Hobby-Archäologen - und langweilen jenen Teil des Publikums, der mit Steinen nicht viel anfangen kann.

Das wird sich nun ändern. Eine Phalanx von mehr als 30 High-Tech-Projektoren und Schallquellen verwandelt den 600-Quadratmeter-Saal in den Schauplatz einer Multimedia-Aufführung "zwischen Kino, Theater, Museum und Hörspiel", wie es Regisseurin Charlotte Tamschick formuliert.

Besonders faszinierend ist, dass die Grabmäler und Skulpturen nicht nur die Kulisse bilden, sondern unmittelbar als Spielfläche eingebunden sind. Eine äußerst raffinierte Animationstechnik lässt die Steinbilder von Personen oder Gruppen vor dem Auge des Betrachters lebendig werden. Brillante Beleuchtung verleiht grauen Säulen oder Kleidern kraftvolle Farben und ermöglicht dem Zuschauer eine Art Zeitreise.

An "Action" fehlt es auch nicht, über die riesigen Wände des Saals ziehen in 360-Grad-Projektionen Gewitter und Regenschauer, Feuersbrünste und Unterwasser-Bilder. Aber geboten werden weder billiger Realismus noch überzogene Kino-Spezialeffekte, sondern eine Fantasie anregende, kunstvolle, abstrakte, mit spannender Musik unterlegte Bilderwelt, die die Berliner Spezialisten von "Media + Space" kreiert haben.

Das ist spektakulär, aber beileibe kein Spektakel, das die Seriosität des Museums infrage stellt. "Wir haben unsere hauseigenen Fachwissenschaftler von Anfang an eingebunden, und sie stehen dahinter", versichert der Museumsdirektor. "Es ist alles sehr realitätsbezogen", betont auch Antikenexperte Lothar Schwinden.

Fantastische Bilder, verbesserungsfähige Akustik



Optimierungsbedarf besteht noch bei der Akustik. Dabei hat man mit Promibesetzung (u.a. "Stromberg"-Darsteller Christoph Maria Herbst) ein Hörspiel um den römischen Bürger Albinius und den Götterboten Hermes produziert, um die Inhalte unterhaltsam zu transportieren. Das gestaltet sich angesichts der riesigen Textmenge einerseits und der nicht immer zufriedenstellenden Verständlichkeit andererseits etwas anstrengend. "Wir arbeiten dran", verspricht Köhne.

Die Ziele sind hochgesteckt, wenn sich das "Reich der Schatten" ab Sonntag vier Mal täglich öffnet. "Wir wollen zeigen, dass Museum nicht verstaubt sein muss", sagt Museumspädagogin Anne Kurtze. Die Preise sollen familienfreundlich sein, man hofft auf europaweite Resonanz. Ein "Meilenstein" soll es laut Eckart Köhne werden.

Infos zu Vorführungszeiten, Preisen, Machern, Technik und Konzept im Internet unter www.im-reich-der-schatten.de

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