Luxemburg lockt mit hohen Nettolöhnen

Trier · Einen Vollzeitjob für 1600 Euro muss keine Pflegefachkraft annehmen. Das Jobangebot in der Region Trier ist ausgezeichnet. Wer allerdings nur auf das Gehalt schaut, wird einen Blick nach Luxemburg werfen.

Trier. Wenn Alois Adler vom Pflegeberuf spricht, kommt er gerne ins Schwärmen. Er will keine Jammerkultur. "Das ist ein schöner Beruf, auch wenn die Rahmenbedingungen nicht in Ordnung sind", sagt der Pflegedirektor des Brüderkrankenhauses Trier. Mit den plakativen Äußerungen der Gewerkschaft Verdi kann er sich deshalb nicht wirklich anfreunden. Die beklagt, dass in deutschen Kliniken Zehntausende Beschäftigte fehlten.
In den großen Kliniken sei die Situation nicht so dramatisch, versichert Pflegedirektor Adler, der in seinem Haus für 1200 Mitarbeiter und 150 Auszubildende die Verantwortung trägt. In einem wesentlichen Punkt gibt er der Gewerkschaft allerdings recht: "Wir verlieren viele Fachkräfte nach Luxemburg. Der einzige Grund dafür ist das Geld. Wenn eine hoch qualifizierte Kraft uns verlässt und lieber in die ambulante Pflege nach Luxemburg geht, weil sie dort netto das Doppelte verdient, kann doch etwas nicht stimmen."
Thomas Müller, Verdi-Geschäftsführer für den neu gebildeten Bezirk Saar Trier, reibt sich besonders an den teilweise schlechten Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege. "Wenn private Pflegedienste ihren Beschäftigten gerade einmal 1400 oder 1600 Euro zahlen, stellen sich einem doch die Nackenhaare auf." Zudem sei die Arbeit in der Pflege oft denkbar familienunfreundlich. Gewerkschaftssekretär Thorsten Servatius ergänzt: "Bei ambulanten Diensten und kleinen Häusern auf dem Land wird die wirtschaftliche Not auf dem Rücken der schwächsten Beschäftigten ausgetragen."
Dass im Grunde keine Pflegefachkraft einen unter Tariflohn bezahlten Job annehmen muss, zeigt der aktuelle Blick auf den Arbeitsmarkt. "Der Fachkräftebedarf im Pflegesektor ist riesig", sagt Heribert Wilhelmi, Leiter der Agentur für Arbeit in Trier. "Entsprechend gut sind die Jobchancen." Aktuell können die Jobsuchenden der Region in der Branche des Gesundheits- und Sozialwesens zwischen 310 offenen Stellen wählen (siehe Extra). Allerdings bestätigt auch Wilhelmi, dass die große Dynamik in dieser Branche mit der hohen Fluktuation zu tun habe. "Viele Menschen wechseln schon nach wenigen Jahren aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen wieder die Tätigkeit."
Um Ungleichheiten in der Bezahlung zu beseitigen, will die Gewerkschaft für Pflegefachkräfte in Kliniken, Altenheimen und ambulanten Diensten einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag mit mindestens 3000 Euro brutto. "Dann wäre das Lohndumping auch für Private vorbei", glaubt Thorsten Servatius. Er weiß allerdings wie sein Kollege Thomas Müller, dass die Gewerkschaft eine solche tarifliche Vereinbarung auch deshalb nicht durchsetzen kann, weil die kirchlichen Krankenhäuser und Wohlfahrtsverbände ihre eigene Tarifstruktur nicht aufgeben werden.
Aber zumindest mittelfristig könnte mit einer einheitlichen Ausbildung für Kranken- und Altenpflege, wie sie auf politischer Ebene diskutiert wird, eine Angleichung auch in den Tarifstrukturen kommen.
Der Caritas-Diözesanverband versichert, in der Region Trier gebe es bei Stellenbesetzungen seiner Sozialstationen noch keine Probleme. "Wir sprechen nicht von einem Notstand, sondern eher von einer angespannten Situation", sagt Caritas-Sprecherin Gaby Jaquemoth. Die Abwanderung junger Pflegekräfte nach Luxemburg sei zwar vorhanden. "Wir stellen mittlerweile aber wieder eine abnehmende Tendenz fest."
Pflegedirektor Alois Adler hofft derweil, mit dem besonderen Stellenwert der Pflege im Brüderkrankenhaus bei den Fachkräften punkten zu können. "Wir haben als Großkrankenhaus natürlich den Vorteil, auch echte Karrierechancen bieten zu können."

Freie Jobs in der Region

Mehr als 900 freie Stellen sind der Agentur für Arbeit im vergangenen Jahr von Unternehmen der Gesundheits- und Pflegebranche gemeldet worden. Derzeit kann in der Region unter 310 Jobangeboten gewählt werden. Diese verteilen sich wie folgt: Stadt Trier 70, Kreis Trier-Saarburg 50, Kreis Bernkastel-Wittlich 75, Kreis Vulkaneifel 33 und Eifelkreis Bitburg-Prüm 85. r.n.

MeinungEs funktioniert nur mit mehr Geld
Wer in der Pflege arbeitet, kann sicher sein, immer einen Arbeitsplatz zu finden. Kaum ein Berufsfeld ist so krisensicher. Die Bemühungen, die Ausbildung weiter zu verbessern und das Wissensspektrum der Absolventen zu erweitern, ist ebenfalls ein guter Ansatz, um die Arbeit in der Pflege attraktiver zu gestalten. Solange allerdings für diesen Beruf im Durchschnitt nicht mehr als 2400 Euro bezahlt werden, wird jede Charmeoffensive ins Leere laufen. Zur Finanzierung der höheren Einkommen werden auch diejenigen beitragen müssen, die noch nicht direkt betroffen sind. Ohne Steuern geht es nicht. r.neubert@volksfreund.de

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