Vom Umgang mit dem Wasser - Im Überfluss, genügend oder knapp?

Trier · Ist Wassersparen in Deutschland Unsinn, weil wir Wasser im Überfluss haben? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Allein ein Blick in die Großregion Trier zeigt, wie sehr die Wasserver- und -entsorgung von örtlichen Gegebenheiten abhängen.

 Foto: istock/Okea

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Übers Wassersparen denkt man nicht nach, man tut es einfach. Jeden Tag, wie selbstverständlich. Wasch- und Spülmaschine sparen Energie und so auch Wasser. Die Toilette spart. Und der Garten wird aus der Regentonne versorgt. Auch in der Industrie wird in dieser Hinsicht zunehmend effektiver gewirtschaftet: So wird Wasser etwa mehrfach genutzt oder bei den Produktionsprozessen recycelt.

Das Ergebnis: 122 Liter verbrauchten die Deutschen 2011 pro Person und Tag. 1990 waren es noch 147 Liter (Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, BDEW). Zum Vergleich: In den USA fließen jeden Tag pro Person 580 Liter. Laut BDEW hat Deutschland mit Belgien den "niedrigsten personenbezogenen Wassergebrauch in den Industriestaaten."

Doch ist das wirklich ein Grund, stolz zu sein? In den letzten Jahren mehren sich Stimmen, die den Sinn des Wassersparens bezweifeln. Am schnellsten wackelte das Argument, man müsse mit dem kühlen Nass umsichtig umgehen, weil die Kinder in Afrika Durst leiden. So schmerzlich die Tatsache ist: Den Mangelverhältnissen nicht nur in Afrika, sondern auch etwa im Hochsommer in Spanien, ist nicht beizukommen, indem man in Deutschland auf den Swimmingpool verzichtet - das Wasser lässt sich einfach nicht so weit transportieren.

Aber auch andere Aspekte werden angeführt: Deutschland habe Wasser im Überfluss, nutzen wir doch weniger als 20 Prozent des sogenannten jährlichen Wasserdargebots. Das Dargebot bezeichnet die für eine bestimmte Zeit im natürlichen Wasserkreislauf rein mengenmäßig verfüg- und nutzbare Wassermenge. Durchs Sparen stehe zudem oft Trinkwasser zu lange in den Leitungen. Versorger müssten das gesparte Wasser zum Freispülen von Abwasserrohren wieder in die Kanäle pumpen. Verschärft werde die Situation durch den demografischen Wandel: Weniger Menschen verbrauchen weniger Wasser. Doch die Kanalisation sei für andere Voraussetzungen gebaut (siehe Seite 8).

"Schluss mit dem Wassersparen!", "Wasser marsch!", "Die Deutschen sparen zu viel Wasser" lauten Schlagzeilen aus Die Zeit, brand eins und Die Welt. Aber immer wieder wird auch die Frage gestellt: "Ist Wassersparen in Deutschland wirklich Unsinn?" Nein, meint der Biologe und Umweltwissenschaftler Engelbert Schramm. Er ist Mitbegründer des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt am Main, wo er den Forschungsschwerpunkt "Wasserinfrastruktur und Ressourcenmanagement" leitet. "Das Sparen ist aus ökologischer Sicht unter anderem deswegen kein Unsinn, weil das Wasser, das wir verbrauchen, in den meisten Fällen mit ziemlich viel Energie erzeugt wird", erklärt er. Grundwasser muss erst hochgepumpt, manchmal noch bearbeitet und auf dem Weg zum Verbraucher eventuell noch Berge hochgeleitet werden. Es sei eine Ausnahme, dass das Wasser direkt vor Ort beispielsweise aus einem Brunnen gewonnen werden könnte. In einigen Gegenden an Rhein und Ruhr wird sogar Uferfiltrat aufwendig zu Trinkwasser aufbereitet. Dabei handelt es sich um Grundwasser aus Brunnen in Ufernähe, in dem sich viel Flusswasser befindet.

Die Behauptung, in Deutschland gebe es Wasser im Überfluss, weist Erik Gawel zurück. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig und Direktor des Instituts für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig. "Ausreichend Wasser am richtigen Ort zur richtigen Zeit in der richtigen Qualität ist etwas anderes, als in ganz Deutschland übers ganze Jahr eigentlich genug Wasser zu haben", betont er und verweist damit auf die regional und saisonal sehr unterschiedlichen Voraussetzungen für die Wasserversorgung.

Beispiel Luxemburg/Wasserliesch: Ab Oktober werden pro Tag 800 Kubikmeter (800 000 Liter) Wasser aus Wasserliesch (Verbandsgemeinde Konz) nach Ost-Luxemburg geliefert, weil dort das Wasser knapp werden könnte. Studien prognostizieren dem Großherzogtum einen enormen Bevölkerungszuwachs: Aufgrund hoher Geburtenrate und starker Zuwanderung steige die Einwohnerzahl bis 2050 auf mehr als 700 000. Der jährliche Trinkwasserbedarf könnte sich dann um etwa 40 Prozent erhöhen. Probleme mache das vor allem im Osten des Landes, der wegen der geologischen Beschaffenheit wasserarm sei, war in einem Artikel des Luxemburger Worts von 2009 zu lesen. Weitere Quellen könnten nicht erschlossen werden. Mit dem täglich aus Deutschland gelieferten Wasser könnten 5000 Luxemburger je eine 160 Liter große Badewanne füllen.

Das Klima beeinflusst die Wasserversorgung



Auch der Klimawandel spiele eine Rolle bei der künftigen Wasserversorgung, sagt Erik Gawel. "Es wird saisonal und regional markante Verschiebungen geben." Aber wie verändert sich das Klima in der Zukunft? "Nach Prognosen wird es auch bei uns etwas wärmer werden", so Schramm. "Das wissen wir aber nicht genau. Es könnte sein, dass der Golfstrom abreißt, der im Atlantik liegt. Dann wird es kälter bei uns und es regnet wieder viel mehr." Deswegen seien für die Infrastruktur der Versorgung flexible Lösungen wichtig (siehe Seite 8).

Beispiel Thalfang/Hermeskeil: Wasserleitungs-Lückenschluss heißt das Projekt, das die Verbandsgemeinden Hermeskeil und Thalfang dieses Jahr abschließen wollen, um die Wasserversorgung sicherzustellen. Dafür werden die beiden Trinkwassernetze miteinander verbunden, so dass in beide Richtungen Wasser gepumpt werden kann. So könnte Thalfang im Notfall auch vom Stausee der Talsperre bei Nonnweiler Wasser beziehen, an den Hermeskeil bereits angeschlossen ist und einen Teil seines Trinkwassers bezieht.

"Der Hunsrück ist eigentlich wasserreich", erklärt der Hermeskeiler Werksleiter Andreas Schmitt. Das Problem seien die saisonalen Schwankungen: Wenn es im Winter zwar Schnee, aber keinen Regen gibt; wenn es im Sommer lange trocken bleibt, wie 2011 - dann wird das Wasser auch im Hunsrück knapp, wo man auf den Niederschlag angewiesen ist, da oberflächennahes Grundwasser zur Versorgung genutzt wird.

Wassertransport nach Luxemburg, neue Verbindungsrohre - das alles kostet, ebenso wie Gewinnung und Aufbereitung von Wasser, Geld. 2010 wurden laut BDEW bundesweit mehr als zwei Milliarden Euro in die öffentliche Wasserversorgung investiert, davon allein 59 Prozent in den Rohrnetzbereich. "Wir reden beim Wasser in Deutschland nicht von Mangelproblemen, sondern vom Ressourcenaufwand, den wir zur Bereitstellung ökonomisch knapper Güter betreiben müssen", betont Gawel. Er verweist auf eine Regel, die für alle Wirtschaftsgüter gelte: Sie nämlich nur dann zu nutzen, wenn ihre Nützlichkeit größer erscheint als deren Bereitstellungskosten. Also: "Wenn der Nutzen des Wassergebrauchs niedriger eingeschätzt wird als die ökonomischen einschließlich der ökologischen Kosten der Wasserentnahme, dann ist ein Verzicht sinnvoll." Deswegen sei es offensichtlich nicht sinnvoll, 24 Stunden den Wasserhahn laufen zu lassen. Natürlich gehe es auch nicht ums Sparen um jeden Preis. Das sei wie beim Autofahren und Tanken: "Wenn sich der Preis noch zu lohnen scheint, dann verbraucht man mehr. Sobald einem eine weitere Tankfüllung aber zu teuer vorkommt, nimmt man davon freiwillig Abstand." Wichtig sei dabei, dass der Preis die ökonomische und ökologische Wahrheit über die Ressourcenkosten sagt.

Beispiel Bitburg: In Bitburg wurde der Wasserpreis Anfang 2012 erhöht. Gründe dafür gab es mehrere. Zum einen mussten die Stadtwerke viel Geld in die Neubohrung eines Tiefbrunnens samt Uran-Entfernungsanlage investieren. Die Werte des radioaktiven Schwermetalls bei dem dort geförderten Trinkwasser waren zu hoch. Hinzu kam, dass in Bitburg immer weniger Wasser verbraucht wird - der Grund ist der Rückzug der Amerikaner aus der Housing, wodurch die Wassergebühren als Einnahmequelle sinken.

Beispiel Eifelkreis Bitburg-Prüm: Eine Preiserhöhung wegen geringerem Wasserverbrauch sorgte auch 2006 im Kreistag Bitburg-Prüm für Diskussionen. Ein genannter Grund: Es wurde zu viel Wasser gespart. Wie der TV berichtete, erklärte Horst Lenz (CDU) in der Sitzung: "Wir können unser Verteilernetz nicht verkleinern, außerdem darf die Qualität nicht sinken; und auch die Kosten für die Pumpen können nicht zurückgefahren werden."

Wassersparen heißt nicht unbedingt Geld sparen



Auch nehme durch den geringeren Verbrauch die Verschmutzungskonzentration im Abwasser zu, so dass Kläranlagen an ihre Grenzen stießen. Durch das Sparen von Wasser steige die Verweildauer in den Leitungen, wodurch ein häufigeres Spülen und mehr Wartung erforderlich würden.

Solche Preiserhöhungen zeigen auch, dass Wassersparen zumindest längerfristig nicht zwangsläufig zu einem persönlichen Geldvorteil führt. Schramm spricht von einer "doppelten Rechnung": "Wenn weniger verbraucht wird, wird der Preis pro Einheit, die verkauft wird, teurer." Grund ist der hohe Fixkostenanteil des Wasserpreises etwa für Unterhaltung, Abschreibungen von Investitionen und Personalkosten: Er liege bei etwa 80 Prozent. Lediglich der Rest ist vom tatsächlichen Verbrauch abhängig.

Dieser Fixkostenanteil ist auch der Grund, warum die Wasser- und Abwasserpreise von Gemeinde zu Gemeinde variieren können: Je nachdem, wie aufwendig die Ver- und Entsorgung vonstatten gehen, erhöhen sich die Fixkosten. "Es ist eine wichtige Funktion von Preisen, die Kosten der Produktion widerzuspiegeln", Gawel. Eine sogenannte Wasserflatrate, also einen Einheitspreis unabhängig vom Verbrauch, hält er daher volkswirtschaftlich für "ziemlichen Unsinn".

Die Wasserpreise bezeichnet er allgemein als zu niedrig und zu hoch zugleich. "Sie sind zu hoch, weil die Monopolbetriebe nicht alle Effizienzreserven nutzen, die man nutzen würde, wenn man im Wettbewerb steht." Die öffentlich- oder privatrechtlich organisierten Wasserver- und -entsorger in Deutschland müssen kostendeckend wirtschaften, haben aber eine Monopolstellung. Andererseits, so Gawel, seien die Preise zu niedrig, weil sie die ökologischen Folgekosten nicht enthielten: "Wenn ich aus einem natürlichen Wasserhaushalt Wasser für menschliche Zwecke entnehme, ist das nicht ökologisch neutral, da passiert etwas." In der Vergangenheit sei aber deutlich dazugelernt worden, meint Gawel und verweist auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie, deren Ziel eine nachhaltige Wassernutzung gerade auch unter gewässerökologischen Aspekten ist.

420 Millionen Euro werde die Erfüllung dieser Richtlinie bis 2015 kosten, so das rheinland-pfälzische Umweltministerium. Deswegen gibt's ab 2013 den sogenannten Wassercent: Für Entnahmen aus dem Grundwasser und aus Oberflächengewässern muss gezahlt werden. Betroffen sind etwa 300 bis 400 gewerblich-industrielle Unternehmen sowie etwa 230 Unternehmen der öffentlichen Wasserversorgung. Letztere können die Kosten an die Verbraucher ganz oder teilweise weitergeben. Pro Person könnte das laut Ministerium rund drei Euro pro Jahr bedeuten.

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