dm-Drogeriemarktgründer Götz W. Werner über das bedingungslose Grundeinkommen

Was einen guten Unternehmer ausmacht, muss er wirklich wissen: Denn Götz W. Werner ist Gründer der Firma dm – drogerie markt und hat in den vergangenen Jahrzehnten ein wahres Imperium – auf elf europäische Länder verteilt – aufgebaut.

 dm-Gründer Götz W. Werner

dm-Gründer Götz W. Werner

Foto: Archiv

Immer hat er bei seiner nachhaltigen Unternehmensführung die Menschen im Blick, sicher ein Teil seines Erfolgs. Außerdem setzt er sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Auch darüber sprach TV-Mitarbeiterin Verena Schüller mit ihm.

Wie sollte ein guter Chef Ihrer Meinung nach sein?
Werner: Ein Mensch, der diejenigen im Auge hat, für die er tätig ist - das sind seine Kunden und seine Kollegen, die seine Arbeit möglich machen. Wirtschaft ist für den Menschen da. Wenn es keine Menschen gäbe, gäb's auch keine Wirtschaft. Folglich ist der Mensch immer Zweck und die Wirtschaft nur Mittel - und nicht umgekehrt. Und da der Mensch Zweck ist, arbeitet jeder, egal was er tut, für Menschen und mit Menschen zusammen. Alleine kann man nichts zustande bringen. Es ist ein großer Denkirrtum, zu meinen, man arbeite für sich.

Sie haben innerhalb von fast 40 Jahren ein in elf europäischen Ländern tätiges Drogerieimperium aufgebaut. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Werner: Je besser ich lerne, die Bedürfnisse von Menschen wahrzunehmen und dadurch bedienen zu können, desto erfolgreicher bin ich. Außerdem muss ich über mein Geschäft eine übergeordnete Frage stellen - und die darf nicht lauten: "Machen wir es richtig?", sondern: "Machen wir das Richtige?". Die erste ist die Know-how-Frage, über die zu 95 Prozent geredet wird. Aber viel wichtiger ist die zweite, die Know-why-?Frage: "Warum und wozu tun wir etwas?" Darüber wird viel zu wenig geredet. Ich muss etwas machen, womit ich mich identi?fizieren kann und was ich verantworten kann. Diese Frage muss ich mir von morgens bis abends stellen - und dabei immer die Menschen im Blick haben, für die ich tätig bin. Wenn es also für die Menschheit dienlich ist, ist es richtig. Wenn das jedem zu 100 Prozent gelingen würde, hätten wir paradiesische Verhältnisse.
Dazu passt auch das Zitat von Ihnen: "Je mehr der Einzelne selbst sieht, was für andere notwendig ist, desto unternehmerischer wird er in seiner Arbeit sein." Will man denn als Chef eigentlich, dass die Angestellten wie Unter?nehmer denken?
Werner: Die Aufgabe
von Menschen, die für
ein Unternehmen ver?antwortlich sind, ist dafür
zu sorgen, dass so viele Mitarbeiter wie möglich selbst unternehmerisch tätig sind. Denn das bringt ein Unternehmen voran, insbesondere wenn man ein Filialunternehmen aufbaut, bei dem es ja darum geht, wie die Mitarbeiter in Trier, Konz oder Perl - übrigens umsatzstarke Filialen dank der Nähe zu Luxemburg - für uns tätig sind.

Noch ein Zitat von Ihnen: "Wirtschaft ist, das Miteinander füreinander leisten." Wieso geht es dann in Unternehmen so oft um Ellenbogen und den Konkurrenzkampf?
Werner: Dieses Verhalten kann kurzfristig zum Erfolg führen, aber nachhaltig ist es nicht. Die Frage ist: Strebt man eine nachhaltige Unternehmensführung an? Oder will man "die schnelle Mark", heute "den schnellen Euro", verdienen? Habe ich ein langfristiges Konzept, muss ich mein Unternehmen ganz anders aufstellen, als wenn ich nur bis zum nächsten Quartalsende kalkuliere. Wenn ich kurzfristig agiere, kann der Konkurrenzkampf hilfreich sein und vielleicht den schnelleren Weg darstellen. Es gibt immer solche und solche: kurzfristig und langfristig Agierende.Das ist heute nicht anders als früher.

Worauf führen Sie denn die Zunahme an Burn-outs und Mobbing zurück?

Werner: Die Menschen werden in ihren Beziehungen individueller. Das kann man am Verlauf von Ehen und Freundschaften beobachten: Man kommt nicht mehr so leicht wie früher in einen gemeinsamen Rhythmus. In der Ehe muss man sich heute jeden Tag neu aufeinander einstellen. Früher gab es eine Grundübereinstimmung. Ähnlich ist es auch in Unternehmen, die früher auch sehr viel kleiner waren als heute. Mein Vater zum Beispiel hatte damals 15 Drogeriefilialen in Heidelberg und Umgebung mit 120 Mitarbeitern. Das ist eine ganz andere Führungsaufgabe als bei 2500 Filialen in elf verschiedenen Ländern mit rund 40?000 Kollegen.
Ich habe vor 39 Jahren noch mit einem Laden angefangen und konnte die Entwicklung erleben. Es war keine kontinuierliche, geradlinige Entwicklung, sondern eine Entwicklung, die schubweise erfolgt, so dass man in einen anderen Aggregatzustand kommt. Das ist Erfolg. Und Erfolg heißt Erfolg, weil er Folgen hat und die Folge des Erfolgs ist, dass man nicht so weitermachen kann, wie man zu dem Erfolg gekommen ist.
Das hab ich häufig erlebt - und wenn ich es nicht gleich gemerkt habe, ist es mir später auf die Füße gefallen -, dass man sich zwar über den Erfolg freut. Aber gleichzeitig muss man das Unternehmen umbauen. Man muss sich immer wieder neu die Frage stellen: "Das haben wir wohl richtig gemacht, deswegen sind wir so erfolgreich, aber machen wir noch das Richtige?" Diese Frage ist die Schlüsselfrage. Wer diese Frage stellt, achtet darauf, dass das Unternehmen nicht nur wächst, sondern sich auch regeneriert, sich immer wieder umbaut. Das ist das Ideale! Und das trifft ebenso auf eine Ehe zu.

Aber das hat ja auch was mit Gemeinschaft zu tun. Mangelt es in unserer Gesellschaft an Solidarität füreinander?

Werner: Es ist eine permanente Notwendigkeit, Gemeinschaft zu stiften. Wir leben sozusagen, um das Soziale auszubilden. Unsere Epoche hat folgende Aufgabe: lernen der sozialen Kunst. Wir haben inzwischen faktisch eine weltweite Gemeinschaft, aber bewusstseinsmäßig leben wir noch in nationalen Grenzen. Dass wir eine weltweite Gemeinschaft haben, können Sie daran sehen, wie sehr wir voneinander abhängig sind. Wenn Sie überlegen, wessen Leistungen wir alle in Anspruch nehmen, wenn wir konsumieren, wer alles für uns tätig ist. Allein bei einer Tasse Kaffee ist es schon ein weltweiter Wertschöpfungsprozess. Und umgekehrt sind wir in Deutschland für die ganze Welt tätig. Das ist eine ganze neue Situation, die
es erst seit wenigen Jahrzehnten so extrem gibt. Dafür müssen wir auf der sozialen Ebene ein Bewusstsein entwickeln.

Seit Jahren setzen Sie sich für das bedingungslose Grundeinkommen ein. Können Sie das Konzept kurz skizzieren?

Werner: Der Grundgedanke ist: Sie können erst für andere arbeiten, wenn Sie ein Einkommen haben. Denn ohne Einkommen können Sie nicht leben. Das heißt, Sie müssen sich fragen, können Sie es sich leisten, für andere tätig
zu werden oder anders gefragt: Bekommen Sie ausreichend Einkommen, um davon leben zu können? Aber alle meinen, sie bekämen für ihre Arbeit ein Gehalt. Doch das ist ein fataler Denkfehler. Das Einkommen ist nicht die Bezahlung Ihrer Arbeit, sondern die Ermöglichung Ihrer Arbeit. Bezahlt werden muss nicht die Arbeit, sondern das Leben. Wenn die Gesellschaft das erkennen würde, hätten wir einen anderen Blick auf die Arbeit: Das Einkommen dient dem Leben, die Arbeit zur Entwicklung, dass wir über uns hinauswachsen. Dadurch, dass wir tätig werden für andere, verändern wir uns.

Aber früher sind die Menschen ganz ohne Einkommen ausgekommen.
Werner: Der Mensch, der in der heutigen Zeit lebt, braucht ein Einkommen, weil er nicht mehr für sich selbst tätig werden kann. Das war früher anders. Früher brauchte der Mensch, um leben zu können, ein Stück Land,
das er bebauen konnte. Das Grundeinkommen ist sozusagen das Äquivalent zur gerechten Landverteilung. Das Urbild des Grundeinkommens steht in der Bibel in Matthäus, 20, im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg:
Der Weinbergsbesitzer gibt allen Arbeitern den gleichen Lohn. Jeder bekommt einen Denar, egal wie lange er gearbeitet hat. Das ist so viel Geld, wie in der Zeit notwendig war, um eine Familie einen Tag lang ernähren zu können. Weil der Arbeiter das Geld eben nicht bekommt, weil er gearbeitet hat, sondern um leben zu können. Wenn die Tagelöhner heute keinen Denar haben, um zu leben, können sie morgen nicht arbeiten kommen. Und so ist das heute auch: Wenn Sie sich einen Job nicht mehr leisten können, weil Sie zu wenig verdienen,
um Ihr Leben zu finanzieren, dann müssen Sie weiterziehen.

ZUR PERSON

Götz W. Werner, 1944 in Heidelberg geboren, ist Gründer der Kette dm - drogerie markt. Er entstammt einer Drogistenfamilie, in deren Unternehmen er 1968 eintrat. 1973 eröffnete er den ersten dm-Markt in Karlsruhe. Heute arbeiten für das Unternehmen rund 39?000 Menschen in Deutschland und zehn weiteren europäischen Ländern. 2008 zog sich Werner aus der operativen dm-Geschäftsführung zurück und wechselte in den Aufsichtsrat. Werner ist in zweiter Ehe verheiratet und hat sieben Kinder. Seit Jahren setzt er sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland ein und gründete die Initiative Unternimm die Zukunft.
Informationen im Internet: www.unternimm-die-zukunft.de
BUCHTIPP


Seine Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen hat Götz W. Werner in einem Buch gemeinsam mit Adrienne Goehler dargelegt. In "1000 Euro für jeden" legt Werner sein Konzept dar, wie die Schere zwischen Arm und Reich geschlossen werden könnte. 2010 erschien das Werk mit dem Untertitel "Freiheit. Gleichheit. Grundeinkommen" im Econ-Verlag. Werners Konzept sei "einfach, gerecht und finanzierbar" und könne die Menschen von ihren Existenzängsten befreien.

Götz W. Werner und Adrienne Goehler: "1000 Euro für ?jeden: Freiheit. Gleichheit. Grundeinkommen", Econ-Verlag, 272 Seiten, 8,99 Euro, ?ISBN: 978-3-43020-108-7

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