Kleiner Bildschirm, großes Problem

In der Bar, beim Essen oder in der Kneipe - bis zu 80 Mal aktivieren Studenten täglich ihre Smartphones. Das haben Forscher der Uni Bonn herausgefunden. Immer mehr Menschen setzen sich nun gegen den übermäßigen Handygebrauch ein.

 Selbst beim Treffen mit Freunden legen viele Smartphone-Besitzer ihr Gerät nicht aus der Hand. Die Uni Bonn untersucht nun, wie intensiv junge Menschen die Computer-Handys nutzen. Foto: dpa

Selbst beim Treffen mit Freunden legen viele Smartphone-Besitzer ihr Gerät nicht aus der Hand. Die Uni Bonn untersucht nun, wie intensiv junge Menschen die Computer-Handys nutzen. Foto: dpa

"Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem die Technologie unsere menschlichen Interaktionen übertrifft. Die Welt wird eine Generation von Idioten bekommen", diese Prophezeiung hat Deutschlands wohl berühmtester Physiker Albert Einstein einmal gemacht. Jetzt fast 60 Jahre nach seinem Tod stellt sich die Frage: Hält uns die Technologie bereits davon ab, von Angesicht zu Angesicht miteinander zu reden?
"Ganz so krass ist die Lage noch nicht", sagt Alexander Markowetz, Juniorprofessor für Informatik an der Uni Bonn. Er erklärt, dass die Nutzung von Smartphones sich auf alle Bereiche unseres Lebens auswirkt: Die Psyche, das soziale Umfeld und auch die Kommunikation. Der Juniorprofessor beschäftigt sich mit dem Telefonverhalten von Smartphone-Besitzern. Mit einer eigens entwickelten App namens "Menthal" erforschen er und sein Team, wie viel Zeit Handy-Nutzer täglich mit ihrem kleinen Freund verbringen. Die Studie läuft noch, aber Voruntersuchungen, bei denen die App an 50 Studenten getestet wurde, lieferten bereits ein erschreckendes Ergebnis: Ein Viertel der Testpersonen nutzte sein Telefon mehr als zwei Stunden pro Tag. Im Schnitt aktivierten die Teilnehmer 80 Mal täglich ihr Handy - durchschnittlich also alle zwölf Minuten. "Am meisten Zeit verbrachten sie mit dem Messenger Whats app und dem sozialen Netzwerk Facebook", schildert der Bonner Juniorprofessor für Informatik Markowetz. Manche Smartphone-Besitzer sind von ihren Geräten so besessen, dass sie jede Gelegenheit nutzen, einen Blick darauf zu werfen.
Dieses Phänomen des ewigen "Aufs-Handy-Starrens" hat einen Namen: Phubbing. Das englische Wort setzt sich aus "phone" (Telefon) und "snubbing" (gleichgültig abweisend) zusammen und wird definiert als: Die Angewohnheit, sich mit dem Handy zu beschäftigen, während man die Menschen, mit denen man gerade in der realen Welt unterwegs ist, vernachlässigt.
Geprägt hat diesen Ausdruck der Australier Alex Haigh, der auch die Initiative "Stop Phubbing" ins Leben gerufen hat. Ziel ist es, die Menschen dazu zu bewegen, das Handy in der Tasche zu lassen und Gespräche in der realen Welt zu führen. Dafür kämpft Alex Haigh auf Facebook und mit seiner eigenen Webseite stopphubbing.com. Er bietet Anti-Phubbing-Poster zum Herunterladen an, und Nutzer der Seite können bei einem Voting gegen Phubbing mitmachen.
"Es gibt mittlerweile zahlreiche Aktionen, die gegen den übermäßigen Handygebrauch vorgehen", erklärt Markowetz. So auch die Entwickler des "Opis 60 Mobile". Das Tischtelefon sieht aus wie ein altes Festnetztelefon. Außer dem Telefonieren bietet es keinerlei Funktion, wird aber mit Sim-Karte betrieben und kann daher überall mitgenommen werden.
Diejenigen, die nicht ganz auf den Luxus eines Smartphones verzichten, sondern nur den Gebrauch einschränken möchten, können dies auch gemeinsam mit ihren Freunden in Angriff nehmen. Und zwar mit einem Spiel: Bei einem Treffen werden alle Handys auf einen Stapel gelegt. Wer zuerst schwach wird und einen Blick darauf wirft, hat verloren und muss die Rechnung zahlen.
"Das Schwierige mit Smartphones ist, dass sie Segen und Problem zugleich sind", sagt Markowetz. Die Menschen müssten einfach lernen, vernünftig damit umzugehen. Wie das funktioniert, zeigen die Regeln auf knigge.de. Die Benimmberater empfehlen, im Restaurant das Handy auf lautlos zu stellen und zum Gebrauch den Raum zu verlassen. Die wichtigste Regel lautet: "Im Theater, Kino, beim Gottesdienst, auf Beerdigungen gilt: Geräte ausschalten."
Darüber müssen sich die 150 Einwohner Green Banks, im US-Bundesstaat West-Virgina, keine Gedanken machen. Sie führen ein Leben ganz ohne Smartphone. Der Betrieb von Radiosendern ist dort verboten, um den Betrieb eines Radioteleskops nicht zu stören.
Solch ein Leben ist in den meisten Teilen der Welt natürlich undenkbar, umso wichtiger ist es Alex Haigh daher, auf einen bewussten Umgang mit Handys aufmerksam zu machen. Den Besuchern seiner Seite legt er eine Warnung ans Herz, die der Prophezeiung von Einstein doch sehr ähnelt: Er schreibt: "Wusstet ihr schon? Knigge-Berater bezeichneten Phubbing als: das Ende der Zivilisation." np

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