Spaziergänge in wilden Online-Welten Meister des Kampfes Ringe für neue Klassen

Trier · Zwei Spiele, zwei Welten, zwei Tester: "World of Warcraft" ist der Branchenprimus unter den Online-Rollenspielen. "Age of Conan" bietet einen düsteren, für erwachsene Spieler gedachten Hintergrund. Zwei TV-Redakteure haben sich in den virtuellen Welten umgesehen.

 Schlachten, Magie, schöne Frauen: „Age of Conan“ zielt auf ein erwachsenes Publikum. Foto: Eidos Interactive

Schlachten, Magie, schöne Frauen: „Age of Conan“ zielt auf ein erwachsenes Publikum. Foto: Eidos Interactive

(red) Online-Rollenspiele präsentieren dem Spieler eine riesige virtuelle Welt, die er zusammen mit einer ebenso riesigen, weltweiten Fangemeinde teilt, erkundet und erobert. Sie bilden anders als auf Einzelspieler ausgerichtete Software kein von Anfang an begrenztes und abgeschlossenes Erlebnis, sondern eine auf Monate oder auch Jahre hin ausgedehnte Beschäftigung mit einer wachsenden und sich verändernden Online-Welt. Neben dem Preis für das Hauptspiel sind pro Monat feste Gebühren fällig.

"World of Warcraft" (Welt der Kriegskunst) wurde 2004 von Blizzard Entertainment veröffentlicht und ist heute mit mehr als elf Millionen Abonnenten weltweit das größte Online-Spiele-Projekt der Gegenwart. Die erste Ergänzung "The Burning Crusade" erschien 2007, die zweite "Wrath of the Lich King" folgt übermorgen. "Age of Conan" erschien im März 2008. In den ersten fünf Wochen wurde mehr als eine Million Online-Lizenzen verkauft. Jörg Pistorius (Age of Conan) und Christian Brunker (World of Warcraft) haben die beiden Spiele intensiv getestet.

Age of Conan: Das geht nicht gut. Das kann nicht gut gehen. Wer auf eine Bande Piraten losstürzt und lediglich mit einer abgebrochenen Schiffsplanke bewaffnet ist, hat schlechte Karten. Aber der gerade von einer Galeere entsprungene Sklave stammt aus Cimmeria. Genau wie Conan. Cimmeria - ein raues Nordland, in dem nur die Härtesten überleben. Das bekommen auch die Piraten zu spüren. Die Holzplanke gibt's links und rechts um die Ohren.

So beginnt "Age of Conan". Die Welt des Conan ist nicht neu. Der texanische Schriftsteller Robert E. Howard schrieb in den 20er und 30er Jahren Geschichten über eine frühmittelalterliche Welt, die er Hyperborea nannte. Seine Hauptfigur war Conan, der Barbar.

Howard hatte damit niemals Chancen auf literarische Anerkennung. Dennoch kam der Texaner in den 80ern postum zu Weltruhm. Sein Barbar wurde mit Arnold Schwarzenegger verfilmt, es war dessen erste echte Hauptrolle. Jüngere Autoren nahmen Howards Erzählungen auf und lieferten neuen Stoff. Conan der Barbar etablierte sich als Trash-Ikone: nicht im Mindesten realistisch oder auch nur menschenähnlich und stets nur dabei, sich in Schlachten zu stürzen oder Frauen und Königreiche zu erobern. Das war schon damals Ab-18-Stoff, und auch heute warb Publisher Eidos für "Age of Conan" mit der Ankündigung, hier entstehe ein "Rollenspiel für Erwachsene".

Das war nicht übertrieben. Die Online-Version von Hyperborea ist nicht weniger gefährlich als die Welt in Howards Erzählungen. Nach der Charakter-Generierung landet der Spieler mit seiner Figur am Strand der Piratenstadt Tortage, in deren Umfeld er bis Level 20 bleiben wird. Die Festlegung der Klassen und Talente entspricht dem üblichen Rollenspiel-Modell. Der Soldat ist ein ultraharter Nahkämpfer, der Nekromant ruft Untote herbei, der Assassine greift mit vergifteten Klingen von hinten an.

Starkes Kampfsystem, epische Geschichte

Für welche Figur - es kann natürlich auch eine Frau sein - der Spieler sich auch entscheidet, er erlebt eine auf ihn zugeschnittene epische Geschichte. das ist ungewöhnlich in der Welt der Online-Rollenspiele, doch "Age of Conan" spielt sich lange Zeit wie ein Solo-Spiel.

Das Kampf-System ist ebenso komplex wie motivierend. Über drei Tasten legt der Spieler gezielte Attacken fest, plant Kombos und nutzt Lücken in der gegnerische Deckung aus. Je weiter sich die Werte der Spielfigur entwickeln, umso stärker werden die Kombos.

In Tortage zeigt sich, wie gekonnt Entwickler Funcom den Solo-Teil mit den Multiplayer-Inhalten verbunden hat. Am Tag agiert der Spieler zusammen mit anderen Spielern, die Festlegung auf einen europäischen Server bewahrt ihn dabei vor zu großen Zeitverschiebungen.

Die Einwohner von Tortage versorgen jede Charakterklasse mit Quests, die den Spieler in der Stadt, ihren Katakomben, geheimnisvollen Ruinen und einer Insel vor jede Menge Herausforderungen stellen. Diese kann er in einer Gruppe angehen oder es allein versuchen. In der Nacht - ein Wechsel ist jederzeit möglich, ein Gespräch in der örtlichen Kneipe reicht aus - verfolgt der Spieler die Haupt-Story um sein Schicksal.

Belohnt wird der Spieler mit einer der grafisch schönsten Online-Welten, einer Story im Stil von Robert E. Howard und dem zurzeit besten Kampfsystem. Prüm. Wieder einmal naht dieser grässliche Moment. Stunden, Tage, Wochen ist man durch die Welt gezogen, hat harte Kämpfe überstanden, fiese Monster besiegt. So lange, bis die Ausrüstung endlich nahezu perfekt aus den seltensten Gegenständen zusammengesetzt ist, sodass sie in der Spielwelt ihresgleichen sucht.

World of Warcraft: In World of Warcraft übernimmt der Spieler eine bestimmte Klasse und steigt mit dieser durch das Erfüllen von Aufgaben und das Bestehen von Kämpfen im Rang auf. Gespielt wird Online auf verschiedenen Servern. Jede der derzeit neun verschiedenen Klassen - mit dem am Freitag erscheinenden zweiten Addon kommt eine zehnte hinzu - hat ihre eigenen Stärken und übernimmt damit im Zusammenspiel eine bestimmte Rolle.

Starke Gegner besiegt man nur im Team

Denn in World of Warcraft zieht man nicht allein durch die weite Spielwelt.

Die meiste Erfahrung und die beste Ausrüstung bekommt man, wenn man mit anderen in sogenannte Instanzen geht. Das sind abgetrennte Bereiche, in denen starke Gegner warten, die man nur gemeinsam besiegen kann. Dabei muss jeder versuchen, seine Aufgabe, die durch die Klasse vorgeben ist, so gut wie möglich zu spielen. Es gibt Krieger mit ihrer starken Rüstung, die hauptsächlich dazu da sind, ihre Rübe hinzuhalten, während andere Klassen wie Magier oder Schurken versuchen, dem Gegner so schnell so viel Schaden wie möglich zuzufügen. Abgesehen natürlich von den Heiler-Klassen wie Priestern, deren Aufgabe es ist, die anderen am Leben zu halten. Je besser die Ausrüstung ist, desto besser kann man seine Aufgabe erfüllen - und sich nebenbei denjenigen ein bisschen überlegen fühlen, die noch irgendwelchen Kram an sich herumtragen.

Doch bald schon ist all das nichts mehr wert, die schöne Ausrüstung reif für die Tonne. Denn am kommenden Freitag erscheint das neue Addon zu World of Warcraft mit dem verheißungsvollen Namen "Wrath of the Lich King". Das heißt, dass die Klassen weitere zehn Levels aufsteigen können. War das Maximum bisher bei 70, wird es nun bei 80 sein. Das ist damit verbunden, dass die neue Ausrüstung viel besser ist als alles was bisher war. Muss ja so sein. Wo wäre sonst der Anreiz? Herr oder Frau Rollenspiel-Held wird also nicht umhin kommen, sich wieder einmal eine neue Ausrüstung zuzulegen und sie in mühsamer Arbeit erneut zu perfektionieren.

Aber auch das wird kein Problem sein, denn praktischerweise liefern die Entwickler von Blizzard einen neuen Kontinent mit dem heimeligen Namen Nord-end gleich mit, der frische neue Monster und noch hübsche neue Gegenstände bereithält. Mit den neuen Levels musste auch die Talent-Verteilung überarbeitet werden. Jede der verschiedenen Klassen (siehe Extra) kann beim Aufstieg in drei verschiedene Richtungen entwickelt werden. Das Hauptproblem für die Entwickler liegt dabei darin, die Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Klassen zu wahren. Denn schließlich soll keine Klasse per se besser sein als eine andere. Ist ja auch nachvollziehbar, wer will schon einen Looser spielen?

Schon jetzt ist abzusehen, dass es nur wenige Tage dauern wird, bis die ersten Hardcore-Spieler genügend Nächte investiert haben und die ersten Charaktere rumlaufen, die erneut das Maximallevel 80 erreicht haben. Der Preis dafür: 80 tiefe Ringe unter den Augen.

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