Alice Madness Returns: Die dunkle Seite des Wunderlands

Trier · American McGee gehörte zu den Wahnsinigen bei id Software, die mit Doom und Quake die konsequenteste Verbindung hervorragender 3D-Technik mit extremer Gewaltanwendung schufen. Als er dann anfing, eigene Spiele zu kreieren, war das Ergebnis noch abgedrehter: American McGees Alice zeigte schon im Jahr 2000 auf dem PC eine Interpretation von Alice im Wunderland, die wahrhaftig nicht als Kinderbuch oder Gute-Nacht-Geschichte durchgeht. Jetzt kommt die Fortsetzung, und sie macht aus Lewis Carrolls Vorlage eine mörderische Geisterbahnfahrt. Was für ein Spaß!

Vor elf Jahren nahm ein fürchterliches Feuer Alice die Familie und hinterließ tiefe Narben in ihrem Geist. Sie wurde in der Rutledge-Irrenanstalt weggesperrt, wo sie sich mühte, ihre Dämonen zu bekämpfen, dabei aber immer tiefer in ihre Fantasiewelt abglitt - ins Wunderland.

Jetzt, nach zehn Jahren, wird sie endlich entlassen - trägt jedoch noch immer schwer an der Last der Tragödie. In einem albtraumhaften Wunderland muss sich Alice den Dämonen stellen, die sie in ihren Visionen heimsuchen. Die Reise beginnt in der harschen Realität des viktorianischen London und führt ins wunderschöne und zugleich entsetzliche Wunderland, um die Ursache von Alices Wahnsinn und die Wahrheit hinter einem lang verborgenen, tödlichen Geheimnis zu enthüllen. Ihr Verstand ist zerschmettert; sie kann die Angst, die durch seltsame Erinnerungen, Träume und Visionen genährt wird, nicht zähmen.

Vielleicht ginge es ihr im Wunderland besser. So wie früher. Sie reist dorthin und sucht, was ihr die "Realität” nicht bieten kann: Sicherheit, Erkenntnis und die Wahrheit über die Vergangenheit. Während ihrer Abwesenheit hat allerdings auch das Wunderland leiden müssen. Irgendetwas ist gehörig schiefgegangen, und jetzt sucht eine böse Macht ihren einstigen Zufluchtsort heim.

Alice: Madness Returns ist düsterer, härter und abgedrehter als Tim Burtons Film mit Johnny Depp. Das Design der Spielwelt und ihrer Figuren ist ein abgedrehtes Ausnahmekunstwerk, dessen Betrachtung allein schon das Starten des Spiels rechtfertigt. Alice, vom Wahnsinn fest gepackt, springt und schlitzt sich durch das pervertierte Wunderland. Im Gegensatz zum Design ist die Technik alles andere als State of the Art. Matschige Texturen und das späte Aufpoppen vieler Texturen unterstreichen das Fortgeschrittene Alter der Unreal-Engine.

Auch der Spielverlauf selbst ist kein Wunderland an Kreativität und Abwechslung, sondern wird schnell zur immer gleichen Routine. Dennoch: Allein aufgrund der großartig schrägen Spielwelt ist dieser Titel mehr als einen Blick wert. Alice: Madness Returns ist eine eindringliche Warnung, welch Wahnsinn sich hinter scheinbar harmlosen Kindergeschichten verbergen kann. Jörg Pistorius

• Alice Madness Returns: Veröffentlicht von Electronic Arts, erschienen für Xbox 360 (getestet), Playstation 3 und PC. Frei ab 16 Jahren.

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