Rocksmith - der virtuelle Gitarrenlehrer

Trier · Einzelnoten, Sustains, Bendings und Powerchords: Wer Ubisofts Rocksmith spielen will, braucht eine echte E-Gitarre, Geduld und die Bereitschaft, hart zu arbeiten. Für Gitarristen ist Rocksmith ein guter virtueller Übungsraum. Anfänger dagegen erleben die Faszination des Gitarrenspiels intensiver als jemals vorher in einem Musikspiel. Wir haben das Musikspiel getestet.



Er beherrscht sein Instrument perfekt: Gitarristen vom Schlag eines David Gilmour (Pink Floyd) kann Rocksmith nicht ausbilden. Doch für musikalische Greenhorns ist das Spiel Gold wert. So dicht dran am Rock waren sie noch nie. (Foto: dpa)

Die Illusion, ein Gitarrero des Rock zu sein, hat dem Softwaremarkt der vergangenen zehn Jahre einen seiner größten Hypes ermöglicht. Doch der Absturz war hart und endgültig. Nachdem die Fans die ersten Versionen von Guitar Hero mit ihren Plastikklampfen und bunten Knöpfen dankbar annahmen, damit simple Reaktionsspielchen absolvierten und sich dabei wie Rockstars fühlten, überfluteten die Producer den Markt mit kompletten Plastik-Bands inklusive Mikro und Schlagzeug, bis jeder Anreiz weg war. Das Genre der Musispiele ging wieder unter, heute bekommt man den Kram für ein paar Euro nachgeschmissen.

Rocksmith ist ein völlig anderes Angebot. Ubisoft geht hier auf mehreren Ebenen ein hohes unternehmerisches Risiko ein. Zuerst wird der hohe Preis viele potenzielle Käufer zumindest aufhorchen lassen. Das Spiel schlägt in der Grundversion - ohne Gitarre! - schon mit 80 Euro zu Buche. Wer dieses Paket erwirbt, erhält das Spiel und ein Kabel, das den Klinkenstecker einer E-Gitarre mit dem USB-Anschluss einer Spielkonsole verbindet. Ist diese Konsole dann mit einem Heimkino-Boxensystem verbunden, übernimmt dieses überzeugend die Rolle eines Verstärkers.

Dann braucht der Rocksmith-User noch eine Gitarre oder einen Bass, das Spiel bietet Modi für beide. Völlig egal, ob es die alte verstaubte Klampfe vom Dachboden oder ein glänzendes Juwel frisch vom Händler ist. Aber echt muss sie sein. Hier liegt das zweite Risiko. Der Spieler nimmt eine echte Gitarre in die Hand und stellt sich der ebenso echten Mühe, den Umgang mit dieser zu lernen. Rocksmith simuliert das Gitarrenspiel nicht, wie Guitar Hero und Rock Band es getan haben. Rocksmith zeigt und fordert reale Griffe, Töne und Techniken. Wer noch nie eine Klampfe in der Hand hatte, hat allerhand Arbeit vor sich - aber diese Arbeit lohnt sich.

Der Anfänger muss sich zu Beginn orientieren. Linke Hand an den Gitarrenhals und die Bünde, rechte Hand an die sechs Saiten. Die Saiten laufen über den Bildschirm, farbige Symbole sagen dem Spieler, was er wo wie greifen und zupfen soll. Der souveräne Wechsel zwischen Saiten und Bünden ist für einen Nicht-Musiker schon die erste Herausforderung. Zwar fordert Rocksmith zu Beginn nur das Anschlagen von Einzelnoten, doch der Schwierigkeitsgrad steigt rasant an. Doppelgriffe, Akkorde, Hammer-Ons und Pull-Offs, Barré-Griffe und Flageolett-Töne - das lernt kein Anfänger in ein paar Tagen. All diese Techniken kann der Rocksmith-Spieler in Einzelherausforderungen üben. Diese sind allerdings sehr kurz, unser Anfänger ist oft zum Scheitern verdammt und braucht viel Frustresistenz.

Der Schwierigkeitsgrad kennt nur zwei Einstellungen. Er orientiert sich entweder an der bisher besten Leistung oder startet wieder bei Null mit einem Einzelnotenanschlag alle paar Takte. Das Spiel erkennt, wenn alles gut funktioniert, und hebt die Schwierigkeit dynamisch während eines Songs an. Im Spiel wie in der Realität hilft hier nur eines: üben. Üben. Üben. Und üben.

Rocksmith bietet eine gute Songauswahl, echte Kracher der Rock- und Metal-Szene sind allerdings nicht dabei. Das grundsätzliche System: Der Spieler übt einzelne Songs, muss sich mit einer Mindestpunktzahl für einen virtuellen Auftritt qualifizieren und spielt die Songs dann auf diesem Auftritt nacheinander und ohne die Chance eines Neustarts. Das Ziel ist es, den Song irgendwann ohne einen Blick auf den Schirm auswendig spielen zu können.

Bis dahin ist es ein weiter Weg für den Anfänger. Aber er wird belohnt. Die Töne, die er seinem Instrument entlockt, sind nicht vom Spiel generiert, sondern echt. Die langsame Annäherung an das Spielen einer Gitarre funktioniert inklusive der damit verbundenen Erfolgserlebnisse. Rocksmith ist im Kern kein Spiel, auch wenn es viele Elemente eines solchen enthält. Die Software täuscht keine erbrachten leistungen vor, sondern fordert sie ein. Man kann Ubisoft nur wünschen, dass dieser Mut zur Konsequenz auch mit dem Erfolg am Markt belohnt wird. Jörg Pistorius

Rocksmith: Publisher Ubisoft, erschienen für Xbox 360 und Playstation 3, in Vorbereitung für PC. Erhältlich mit und ohne Gitarre.

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