The Last of Us: Ein Meisterwerk

Trier · Die Zivilisation ist nur noch eine ferne Erinnerung in The Last of Us - dem Spiel für die Playstation 3, das derzeit die Gamecharts dominiert. Zu Recht, denn das Spiel fesselt nicht nur mit seinem apokalyptischen Szenario, sondern auch echten Charakteren. TV-Redakteur Jörg Pistorius hat das Spiel getestest.



The Last of Us dominiert die Gamecharts. In Deutschland haben schon mehr als 100 000 Spieler die düstere Endzeit-Vision des Entwicklerstudios Naughty Dog gekauft, weltweit sind es laut Publisher Sony inzwischen mehr als 3,5 Millionen. Der radikale und konsequente Ab-18-Titel wird wahrscheinlich das Spiel das Jahres 2013 - und das zurecht. Denn er zeigt, wie man den Spieler nicht nur unterhält, sondern emotional bindet.

Der Spieler erwartet Action von einem Blockbuster-Titel. Schusswechsel, Explosionen, Konfliktbeilegung durch Waffengewalt. Verbunden mit einer bombastischen Inszenierung kann daraus ein bindendes und positives Erlebnis werden, das über das simple Prinzip jedes Ballerspiels - spähen, schießen, Deckung suchen, schleichen, Gegner überwältigen, wieder schießen - weit hinausgeht. Starke Charaktere und eine gute Story vermitteln dem Spieler die Illusion, dass seine Leistungen in den Actionszenen den Verlauf der Story und die darin vorkommenden Charaktere prägen, auch wenn er natürlich nur die Wege gehen kann, die das Entwicklerstudio ihm bereitet hat.

In The Last of Us sehen diese Wege wahrhaftig düster aus. Die Welt ist eine Hölle mit mörderischen Monstern, mordenden Banden und einer vollkommen skrupellosen Militärdiktatur. Die Zivilisation ist nur noch eine ferne Erinnerung. Jeder neue Tag birgt die Gefahr eines furchtbaren Todes, jeder Schritt, jeder Blick offenbaren neue Grausamkeiten. Der Auslöser der Zombie-Apokalypse ist kein fehlgeschlagenes Experiment und keine kosmische Strahlung, sondern ein Pilz namens Cordyceps, dessen Sporen Menschen in kannibalistische Tollwütige verwandeln. In diesem Inferno bin ich einer der wenigen Überlebenden, ein schlachterprobter Veteran, der zu kämpfen versteht. Und in jedem Gefecht, in jeder Minute von The Last of Us denke ich nur an eines: Wie bringe ich Ellie sicher hier durch?

Ellie ist ein 13-jähriges Mädchen. Sie ist in dieser Hölle aufgewachsen, hat die normale Welt nie gesehen. Im Gegensatz zu mir. Ich habe vor 20 Jahren den Ausbruch miterlebt und dabei meine Tochter verloren. Ein Soldat hat sie erschossen. Sie war damals so alt wie Ellie jetzt. Danach bin ich wohl innerlich gestorben und laufe seitdem auf Autopilot weiter. Pures Überleben halt. Ich kann mit Schusswaffen umgehen, mit bloßen Händen kämpfen und aus den knappen Ressourcen der untergegangenen Zivilisation Waffen wie Rauch- oder Splitterbomben basteln. Aber ich bin nicht der Rambo der Apokalypse, sondern nur ein abgekämpfter und völlig verzweifelter normaler Mensch. Erst als Ellie in mein Leben tritt, geht es innerlich wieder aufwärts.

Ellie scheint immun zu sein gegen die Seuche, die aus Menschen rasende Monster macht. Deshalb ist sie wichtig. Deshalb darf sie dem Militär nicht in die Hände fallen. Deshalb will ich sie zu den Fireflys bringen, der Widerstandsgruppe. Der Weg dorthin führt durch puren Horror und völlig unerwartete Schönheit. Naughty Dog schickt mich durch düstere Ruinen und dunkle Keller voller geifernder und kreischender Zombies, lenkt mich in Schießereien mit Banditen und dem Militär und schenkt mir, wenn ich mich wieder ans Tageslicht gekämpft habe, zur Belohnung den Blick auf eine sonnendurchflutete Idylle, bei deren Anblick ich unwillkürlich tief durchatme. Auf beiden Seiten des Videoschirms.

Ellie begleitet mich. In jedem Gefecht muss ich nicht nur mich, sondern auch sie schützen. Zum Glück hat sie starke Nerven und einen bewundernswerten Fatalismus. Zombies wollen uns fressen? Banditen wollen uns erschießen? Ist halt so. Doch natürlich kennt sie auch die allgegenwärtige Angst, die unter der rotzfrechen Fassade immer mal wieder durchbricht. Genau wie diese kindliche Begeisterung, mit der sie in den Kampfpausen auf die Umwelt reagiert und mir Löcher in den Bauch fragt. Was sind Comics und Seifenopern? Warst du früher oft in einem Café oder Restaurant? Kannst du mir beibringen, wie man pfeift?

Ellie wird schnell zu meiner Hauptmotivation, diesen Horror zu überleben. Und je näher ich dem Finale komme, umso mehr hoffe ich, dass Naughty Dog mir Ellie am Ende nicht aus dramaturgischen Gründen genauso nimmt wie meine Tochter. Das würde zwar zu den harten und konsequenten Horrormotiven von The Last of Us passen, aber es hätte Folgen. Das könnt ihr mir glauben, Naughty Dog und Sony. Wir sehen uns auf der Gamescom in Köln. Jörg Pistorius
The Last of Us: Entwickler Naughty Dog, Publisher Sony. Erschienen für die Playstation 3. Frei ab 18 Jahren.

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