Rückenschmerzen: Populäre Irrtümer

Wenn es um das Thema Rückenschmerzen geht, gibt es wahrscheinlich genauso viele Betroffene wie skurrile Theorien über Ursachen der Leiden oder Tipps, die angeblich Besserung versprechen. Etwa 85 Prozent der Bevölkerung leiden im Laufe des Lebens unter Rückenbeschwerden – jeder dritte Deutsche klagt über Schmerzen.

"Oft haben Patienten eine völlig falsche Kenntnis über die Schmerzursachen und verhalten sich daher nicht rückenfreundlich", weiß Dr. Reinhard Schneiderhan, Orthopäde aus München und Präsident der Deutschen Wirbelsäulenliga. Um Betroffene für einen gesunden Umgang mit dem Rücken zu sensibilisieren und über weit verbreitete Ammenmärchen aufzuklären, greift Dr. Schneiderhan eine Auswahl an Irrtümern auf.

"Bei Rückenschmerzen gilt es, sich zu schonen"
Nein! Denn wie heißt es doch so schön: Bewegung ist die beste Medizin. Oftmals bewirkt eine Schonung genau das Gegenteil. Erfährt der Rücken keine angemessene Beanspruchung, verkrümmt mit der Zeit die Muskulatur und bildet sich zurück. Als einen Hauptgrund für Rückenschmerzen nennen Experten sogar Bewegungsmangel, denn Bandscheiben brauchen die Zufuhr von Wasser und Nährstoffen. Körperliche Aktivität sorgt für eine ständige Be- und Entlastung der Bandscheiben. Durch die dabei entstehende Pumpbewegung saugen sie sich wie Schwämme mit Flüssigkeit voll. Nicht ausschließlich deshalb empfiehlt es sich, Sport zu treiben, denn zusätzlich erfährt die Rückenmuskulatur ein kräftigendes Training. Infolgedessen bilden sich Muskeln, die zusätzlich die Wirbelsäule stärken.

"Je härter die Matratze, desto besser für den Rücken"
Fälschlicherweise hat sich diese Annahme in vielen Köpfen festgesetzt. Auf zu harten Matratzen verspannt sich der Rücken und die Beschwerden verschlimmern sich. Viel besser eignen sich Matratzen, die sich an die natürliche Krümmung der Wirbelsäule anpassen. Sehr harte Schlafunterlagen führen häufig zu Hohlstellen im Lendenwirbelbereich. Zusätzlich verspannt sich die Muskulatur. Aber auch sehr weiche Matratzen bringen Nachteile mit sich, denn sie stabilisieren den Rücken nicht ausreichend. Am besten eignen sich mittelharte Liegeflächen. Als einfache Regel lässt sich Folgendes festhalten: je geringer das Gewicht, desto weicher die Matratze. Beim Kauf sollten Kunden jedoch nicht auf eine individuelle Beratung sowie Probeliegen verzichten.

"Rückenschmerzen treten erst im höheren Alter auf"
Irrtum, denn Rückenschmerzen betreffen auch junge Menschen. Nicht umsonst schließen Rückenschmerzumfragen und Langzeitstudien bereits Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr mit ein. Begründet liegen die früh auftretenden Schmerzen vor allem im Wandel der Kultur. Heutzutage sitzen die Arbeitnehmer weitaus mehr, als es früher der Fall war. Hinzu kommt vermehrter Bewegungsmangel sowie die Unwissenheit über den gesunden Umgang mit dem eigenen Rücken. Daher ist ein Bandscheibenvorfall zwischen 20 und 30 Jahren heute keine Seltenheit mehr.

"Langes Sitzen im Büro führt automatisch zu Rückenschmerzen"
Nicht zwangsläufig. Vor allem die falsche Sitzposition und rückenschädliche Angewohnheiten wie das Übereinanderschlagen der Beine oder das hinters Ohr geklemmte Telefon verursachen Kreuzschmerzen. Auf Dauer führen diese Körperhaltungen nicht selten zu späteren Problemen wie einem Hohlkreuz oder auch dem sogenannten Rundrücken. Allerdings gilt vor allem: Wer den ganzen Tag regungslos im Büro sitzt, tut seinem Rücken keinen Gefallen. Daher raten Rückenexperten den Leuten mit sitzender Tätigkeit nicht nur, auf geeigneten Bürostühlen Platz zu nehmen, sondern ab und an auch die Sitzposition zu wechseln. Einseitige Belastungen lassen sich somit oftmals vermeiden.

"Patienten mit Bandscheibenproblemen hilft nur eine Operation"
Auch in diesem Punkt lautet die Antwort: nein! In vielen Bereichen der Medizin setzen sich zunehmend schonende Methoden durch - die minimalinvasiven Schmerztherapien befinden sich im ständigen Fortschritt. Mittlerweile bringen beispielsweise der Einsatz des Wirbelsäulenkatheters sowie die Hitzesondebehandlung vielfach den erhofften Erfolg - umso erstaunlicher, dass in Deutschland pro Jahr immer noch über 100.000 Rückenschmerz- und Bandscheibenpatienten unters Messer kommen und das noch nicht einmal mit Aussicht auf Besserung.

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