Tornado-Gefahr in Deutschland - Tipps für Hausbesitzer

Schwere Gewitter richteten in diesem Jahr in Deutschland schon Millionenschäden an, sogar Tornados gab es. Forschung und Politik müssen sich damit auseinandersetzen, ob unsere Häuser künftig besser geschützt werden müssen. Daneben kann aber jeder Besitzer etwas tun.

 Bei schweren Unwettern werden Dächer oft beschädigt oder ganz abgedeckt. Foto: Hendrik Schmidt

Bei schweren Unwettern werden Dächer oft beschädigt oder ganz abgedeckt. Foto: Hendrik Schmidt

München (dpa/tmn) - Die Nachricht schreckte viele auf: Tornados haben in Deutschland in den vergangenen Monaten ganze Dörfer verwüstet. Womit sich Hausbesitzer schützen können, erklärt Norbert Gebbeken, Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau und Professor für Baustatik an der Universität der Bundeswehr:

Haben unsere Dächer bei einem Tornado eine Chance?

Norbert Gebbeken: Wenn es zu tatsächlichen Tornados kommt, die ja jenseits der von uns klassifizierten Stürme sind, dann hat im Moment die normale bauliche Infrastruktur keine Chance.

Können Bauherren ihre Dächer verbessern?

Gebbeken: Ja. Man kann natürlich immer etwas verbessern. Und es gibt auch eine Menge Untersuchungen, die wir zu besonderen Infrastrukturen machen, etwa wenn wir Botschaften schützen. Darauf könnte man sich stützen. Aber die Frage ist ja, muss man für Ereignisse, die wir im Moment noch als Katastrophenereignisse betrachten, erstens gesetzliche Voraussetzungen in der Bauordnung schaffen und zweitens sich auch davor überhaupt schützen, weil es ja doch erhebliche Investitionen sind.

Und, muss man sich schützen?

Gebbeken: Die Meteorologen sind sich da uneinig. Vor den Tornados im Mai sagten sie eigentlich explizit, für Deutschland besteht keine akute Gefahr. Und schwupp haben wir gleich vier oder fünf Tornados innerhalb von drei Wochen, die statistisch bei uns nur einmal in 50 Jahren auftreten sollen.

Ist die Statistik falsch?

Gebbeken: In Statistikmodellen für Naturgefahren bemessen wir die Gefahr, etwa wie oft ein Jahrhunderthochwasser vorkommt. Und trotzdem haben wir alle paar Jahre eines im Moment. Wir müssen nun den Klimawandel berücksichtigen, und wir müssen uns die Frage stellen, wollen wir diese Ergebnisse in Zukunft in der Bauordnung berücksichtigen? Das ist eine Frage, die politisch entschieden wird. Das kann heißen: Der Bürger muss sich selbst darum kümmern - was er dann nicht tut, oder aber es muss gesetzlich geregelt sein. Damit tun sich die Gesetzgeber schwer im Zuge der Deregulierung.

Aber es gibt ja zum Beispiel seit 2011 schon Regelungen, die Dächer besser vor hohen Windlasten zu schüzten. Dachklammern müssen ergänzt werden bei Austausch der Ziegel.

Gebbeken: Ganz genau. Gerade bei den Klammern sieht man den Schutz an den Schadensbildern. Sie können wahnsinnig viel verhindern, viele Dächer werden ja nun im Zuge der Energieeinsparverordnung erneuert. Aber auch bei den Fenstern gibt es Verbesserungen: Solche, die mehr Energie einsparen, halten auch mehr Winddruck aus als die früheren Systeme. Das ist auch eine ganz gute Entwicklung.

Reicht das bei wirklich heftigen Stürmen?

Gebbeken: Nein, aber das Problem liegt im Moment woanders. Nehmen wir die schon hilfreichen Klammern: Ist eine Dachziegel schon vorher gebrochen, hilft auch keine Klammer mehr. Fliegt dann ein Element weg, führt das zum Kaskadeneffekt. Der Wind gelangt unter die Dachpfanne, die nicht mehr geschützt ist, und alle Ziegel fliegen weg. Ich erlebe das öfter: Keiner kontrolliert das Dach noch, wenn es mal drauf ist. Aber eigentlich sollte regelmäßig ein Dachdecker über das Dach gehen und schauen, ob etwas gebrochen ist.

Was können Hausbesitzer sonst noch freiwillig zum Schutz tun?

Gebbeken: Alle Schwachstellen am Haus finden. Das kann man bei einem ganz normalen Gewitter machen. Dann merkt man plötzlich, ob die Rollläden die Fenster schützen - feste Rollläden sind ein guter zusätzlicher Schutz. Und wenn man ein Flachdach hat, begrüne ich dieses, denn Gewicht bringt Halt. Eine normale Blechbekleidung, die nicht richtig verankert ist, fliegt weg. Es gibt so viele kleine Dinge - ich muss nur die Augen und Ohren offen halten und mich im Sturm fragen: Was klappert denn bei mir? Bei Dächern sind Dachdecker eine Hilfe, man kann ja nicht selbst hochklettern. Wir stellen übrigens immer fest, gerade die, die in den Kammern organisiert sind, sind auch die mit dem höchsten Standard und Qualitätslevel, die auch sehr gut beraten. Aber das alles gilt für Stürme. Mit den Tornadolasten ist es schwierig, weil sie eine extreme Wirkung auf die Häuser haben.

Also soll man darauf hoffen, dass es keinen Tornado gibt?

Gebbeken: Amerikaner haben eine Norm für Tornadolastfälle. Große Gebäude werden speziell dafür sicher gemacht, etwa mit Fenstern mit höherer Drucklast oder mit Folien, damit das Glas nicht splittert, wenn etwas dagegen fällt. Aber ein normales Einfamilienhaus nach dieser US-Norm zu schützen, hieße, dass ein Haus dem standhalten müsste, wenn ein Auto mit 1,2 Tonnen Masse mit 35 Stundenkilometern in bis zu 10 Metern Höhe gegen die Außenmauer prallen würde. Dann könnten wir kein Mauerwerk mehr bauen. Da sehen sie schon, es ist eine Abwägung des Risikos und der aktuellen Gefahren mit den Kosten und Wahrscheinlichkeiten. Aber hier in Deutschland haben wir ja entsprechende Versicherungen - wenn da mal was passiert, ist es schlimm, aber zumindest sind die Kosten gedeckt.

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