400 Gäste feiern den neuen Landrat

Der Eifelkreis Bitburg-Prüm hat einen neuen Landrat: Joachim Streit ist in einer feierlichen Kreistagssitzung vor etwa 400 Menschen vereidigt worden. Er sprach über die Schultern seiner Vorfahren, die Liebe zu seiner Frau, seine Wünsche an den Kreistag und war auch sonst typisch Streit.

 Der neue Landrat Joachim Streit mit seiner Frau Petra und Innenminister Karl Peter Bruch. TV-Foto: Klaus Kimmling

Der neue Landrat Joachim Streit mit seiner Frau Petra und Innenminister Karl Peter Bruch. TV-Foto: Klaus Kimmling

Prüm. "Kommen wir zur Feststellung der Beschlussfähigkeit …", sagt Monika Fink, erste Beigeordnete des Eifelkreises Bitburg-Prüm, und blickt in die Runde, die so gar nicht aussieht, als wäre sie zu einer Kreistagssitzung zusammengekommen.

Rund 400 elegant gekleidete Menschen stehen an festlich dekorierten Tischen und verfolgen gespannt, was vorne passiert. Denn das hat es im Eifelkreis seit Jahrzehnten nicht gegeben.

Ein neuer Landrat soll vereidigt werden. An sich schon ein Phänomen. Ist doch das Wort Landrat für die Menschen im Eifelkreis seit 21 Jahren untrennbar mit dem Namen Roger Graef (CDU) verbunden. Doch das eigentliche Phänomen steht in der ersten Reihe, applaudiert dem Musikverein Prüm und verfolgt lächelnd all die Reden (siehe Extra), die ihm zu Ehren gehalten werden. Groß, schlank, auf der Nase wie immer eine Brille, die aussieht, als hätte er sie bei Woody Allen geborgt, und im Arm seine schöne Frau.

Das Phänomen heißt Joachim Streit. Ein Mann, der bei zwei Gegenkandidaten Drei-Viertel aller Wählerstimmen auf sich vereinen konnte, obwohl er kein "CDU" hinterm Namen trägt. Ein Mann, der mit ebenso sicherer wie sonorer Stimme seinen Eid schwört: "Ich schwöre … so wahr mir Gott helfe", ehe ein Applaus aufbrandet, der so schnell nicht enden will.

Nun ist er Landrat. Landrat Joachim Streit. Wer dieses Phänomen verstehen will, sollte ihn reden hören. "Jetzt stehe ich hier in Prüm", sagt er nachdenklich, wirkt dabei, als wäre er auf der großen Bühne des Prümer Kongresszentrums zu Hause. Dann hält er inne und sagt: "Ich stehe auf den Schultern unserer Vorfahren." Er stehe auf den Schultern derer, die dieses Land und diesen Landkreis aufgebaut haben. Er stehe auf den Schultern von Roger Graef, sagt Streit und blickt seinen Vorgänger an, für den an diesem Abend das Ende eines langen Abschieds gekommen ist. Der schließt für einen Moment die Augen. In seinem Lächeln schwingt Wehmut mit, während die 400 Zuhörer auch ihm einen langen Applaus spenden.

Streits Rede ist persönlich - nicht nur, weil er seinen Eltern dankt und seiner Frau eine Liebeserklärung macht: "Der Dienst ist mir wichtig, ist mir Leidenschaft - dadurch verliere ich aber meine Liebe nicht", sagt er zu ihr. Sondern auch, weil er sich an seinen Großvater erinnert - den Ortsbürgermeister von Beilingen, Schnapsbrenner und Bullenmäster - und an den Moment, als der aus dem Krieg zurückkam und alles zerstört vorfand.

"Alles, was ich brauche, trage ich bei mir", habe er gesagt. Streit wiederholt: "Alles, was ich brauche, trage ich bei mir." Die Leute hätten damals mit Gottvertrauen nach vorne geblickt, und das wolle nun auch er tun.

Streits Rede ist politisch. Schulen, Straßen und die Eifel selbst seien für ihn wichtige Zukunftsthemen. An den Schulen dürfe nicht gespart werden, die Menschen auf den Dörfern müssten die gleiche Lebensqualität haben wie jene in den Städten und nach Graef wolle er mit anderen weiter Motor für die Eifel sein.

Streits Rede ist amüsant. "Bisher hatte ich Hirn, Herz, Lunge, Leber…" Nun habe er ein Organ mehr - den Kreistag. Streits Rede ist direkt. Eines möge er nicht: Spitzfindigkeit. Er wünsche sich im Kreistag einen offenen und ehrlichen Umgang. "Wenn etwas ist, bitte nachfragen, aber es nicht über Dritte zu mir bringen." Eine Entscheidung hat der neue Landrat bereits getroffen: Das Gremium wird künftig öfter tagen.

Wie nahezu immer hält er die Rede frei, spricht langsam und wählt Worte, die jeder versteht. "Alle kommen mit" ist sein Motto. Drei Viertel der Menschen im Eifelkreis haben sich ihm bereits angeschlossen - die anderen will Joachim Streit, Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, noch überzeugen. Reden-Schnipsel Monika Fink, erste Kreisbeigeordnete: "Ein Landrat muss ein Mensch von vielseitigem Interesse sein, ein Mann des Ausgleichs und des Kompromisses, zugleich aber auch Kontinuität, Festigkeit und Souveränität verkörpern. Er muss neue Entwicklungen frühzeitig erkennen und brauchbare Lösungen finden. Kurz: Er muss für seinen Landkreis Kapitän und Motor zugleich sein. Wir freuen uns, mit Ihnen eine Persönlichkeit zu haben, die diese Qualitäten in sich vereinigt." Karl Peter Bruch, rheinland-pfälzischer Innenminister: "Ein Landrat hat zwei Anzüge: den Kreisanzug und den zweiten Anzug: Er muss die Gesetze des Landes, des Bundes und der Europäischen Union vollziehen. Frieden zu schaffen ist die erste Aufgabe, auch für einen Kommunalpolitiker. Politik heißt Leben gestalten und Nutzen stiften. Ich gebe Ihnen einen Rat. Er ist nicht von mir, aber er ist gut: Wenn Sie Zweifel haben, entscheiden Sie sich für das Richtige." Mathilde Weinandy, Stadtbürgermeisterin von Prüm: "Mein Dank geht zunächst an Roger Graef: Ohne dich wären wir heute nicht in dieser schönen Halle. Herr Streit, mein Wunsch ist, dass Sie mit Weisheit und Besonnenheit für diesen Kreis einstehen. Die Menschen in Prüm wünschen Ihnen Glück und Gottes Segen für die neuen Aufgaben." Bernhard Kreutz, Personalratsvorsitzender der Kreisverwaltung: "Eine gute Mannschaft erwartet Sie in der Kreisverwaltung. Der öffentliche Dienst wird qualifizierten Nachwuchs aber nur gewinnen können, wenn er überzeugende Anreize dafür bietet. Wir sollten deshalb den anstehenden Generationswechsel als Zukunftschance erkennen, um alte Strukturen aufzubrechen und Platz für eine neue Dynamik in der Verwaltung zu schaffen."

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