66 Gemeinden auf dem Weg zu neuer Gemeinschaft

Neuerburg/Irrel · Vor genau 77 Tagen sind die früheren Verbandsgemeinden (VG) Irrel und Neuerburg zur neuen VG Südeifel zusammengeschlossen worden. Seitdem bilden 66 Ortsgemeinden und die Stadt Neuerburg eine Gemeinschaft. Auf einer Rundreise durch die neue Einheit hat der TV nachgefragt, wie die Bürger die Fusion und ihre Folgen erleben.

Neuerburg/Irrel. Noch sind in Irrel nicht alle Amtstüren dicht, obwohl seit der Zwangsfusion am 1. Juli Neuerburg Verwaltungssitz der neuen Verbandsgemeinde (VG) Südeifel ist. Die Finanzabteilung ist bereits in den Norden umgezogen, aber Bürgerbüro und Bauabteilung sind nach wie vor am Verwaltungsstandort Irrel. Wie es sich so in der neuen Verbandsgemeinde lebt und ob die Verwaltungsreform Spuren im Alltag der Bürger hinterlässt, hat der TV bei einer Rundreise erfragt.

Im Bürgerbüro in Irrel will Familie Kimmling aus Echternacherbrück neue Pässe für den Herbsturlaub beantragen. Mit dabei: Sohn Leon, fünf Wochen alt. Für ihn klappt der Antrag noch nicht. Denn das Gesicht von Babys verändere sich zu schnell für einen Ausweis mit Bild, teilt man ihnen mit. Also müssen sie in ein paar Wochen noch mal kommen. "Ich bin froh, dass wir dafür nur bis Irrel fahren müssen", sagt Denise Kimmling.
Hildegard Ferring (73) sitzt vor ihrem Gasthaus in Minden. Eigentlich müsste sie am Herd stehen, doch zum Thema "neue VG" hat sie ihre eigene Meinung: "Ich habe zu Bürgermeister Petry gesagt: ,In Neuerburg liegen die Steine andersherum.\'" Und tatsächlich: Im Verlauf der weiteren Rundreise fällt auf: Im Irreler Raum liegt der Sandstein im Fels waagerecht, ab Sinspelt weiter nördlich wächst der Fels senkrecht aus dem Boden. Ob sie das wirklich so gemeint hat?

Auf einer Parkbank am Sauerufer in Bollendorf, dem mit rund 1650 Bewohnern größten Ort der Verbandsgemeinde, halten drei Männer, die nicht namentlich erwähnt werden wollen, die neue VG für kompletten Unsinn. "Alte und Menschen ohne Auto brauchen immer einen, der ihnen hilft. Der Weg ist doppelt so lang und Busse fahren auch kaum."

In Ammeldingen an der Our, mit 23 Bewohnern einer der kleinsten Orte der Verbandsgemeinde, ist Walter Bormann unterwegs. Er wohnt eigentlich in Obergeckler, hilft aber heute seiner Schwester. Und hat eine ganz klare Meinung: "Man hätte - nach Luxemburger Vorbild - alle Verbandsgemeinden im Eifelkreis auflösen und eine einzige große Verwaltungseinheit mit Hauptsitz in Bitburg machen sollen. Dann wäre der ganze Streit zwischen Irrel und Neuerburg nicht nötig." Und er ergänzt: "Aber, mal ehrlich: Wie oft muss man tatsächlich aufs Amt? Ich vor sechs Jahren das letzte Mal da."

In Zweifelscheid will der mit 85 Jahren älteste Bürger des Dorfes, Willi Mayer, gerade Rasen mähen. Nein, meint er, sie würden keine Veränderungen merken. "Aber", sagt seine Tochter Beate Tholl, "wir haben auch andere Sorgen, die nichts mit der VG zu tun haben. Als meine Mutter im Krankenhaus war, war kein sozialer Dienst aus der Umgebung in der Lage, meinem Vater ein warmes Mittagessen nach Zweifelscheid zu liefern." Aber verzweifeln würden sie nicht, versichern sie, der Name Zweifelscheid sei schließlich kein Programm.

Auch in Neuerburg gibt es gesprächige Herren, die anonym bleiben wollen. Sie empfinden die VG als unnatürliches Gebilde. "Mit Arzfeld wäre sinnvoller gewesen." Aber im Alltag habe man damit ja auch nichts zu tun. Monika Röder aus Sinspelt arbeitet in einem Bekleidungsgeschäft. "Was soll ich merken? Nichts!", sagt sie spontan. Aber, überlegt sie, wenn 2015 das neue Nahwärme-Heizwerk gebaut werde, dann würden am Friedhof viele Parkplätze wegfallen - und das bereite ihr dann doch Sorge.
Zuversichtlich sind die Mitarbeiter der Verwaltung. Karin Ziwes in Irrel, und Wolfgang Steffes, bereits nach Neuerburg gewechselt, betonen, dass die Stimmung untereinander gut sei. "Wir haben auch schon miteinander gefeiert." Nur ihre 81-jährige Mutter, erzählt Karin Ziwes, käme mit dem neuen Amtsblatt nicht mehr zurecht. Das sei zu unübersichtlich.
"Am neuen Amtsblatt scheiden sich die Geister", bestätigt auch der Bürgermeister der VG Südeifel Moritz Petry. Waren die Neuerburger sowieso schon an viele Gemeinden gewöhnt, müssen die Irreler mit ehemals 17 Orten erst einen Überblick über das 66-Dörfer-Gebilde bekommen. Monika Ziwes begegnet Kritik mit einem freundlichen: "Wir sind dran am Arbeiten", denn, so sagt sie: "Wenn man von vorneherein sagt, das geht nicht, dann geht auch nichts."

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