"…dann verändert sich der Lebenslauf"

PRÜM. Der Verlust eines Menschen nach Unfall, Selbstmord oder erfolgloser Wiederbelebung geht für die nächsten Angehörigen und Freunde mit qualvoller Trauer und derber Erschütterung einher. Unterstützung, die über die erste Verzweiflung hinweghelfen soll, liefern die Trauerbegleiter des Deutschen Rotes Kreuzes (DRK). Einer von ihnen ist Harald Igelmund aus Prüm.

Die Nachricht von einem tödlichen Unfall löst bei den Angehörigen tiefen Seelenschmerz aus. Die Trauerbegleiter des Deutschen Roten Kreuzes helfen in dieser Situation. Seit rund zwei Jahren ist Harald Igelmund im Einsatz.Foto: Manfred Reuter/DRK"Bleialf war der Super-Gau", erzählt Harald Igelmund. Der 38-Jährige war im Sommer 2003 vor Ort, um Verwandte und Freunde zu trösten. Damals hatte ein 30-jähriger Mann zunächst seine beiden ein- und dreijährigen Kinder aufgehängt, und sich danach auf die gleiche Weise selbst gerichtet. Jenseits der Schlagzeilen erledigte Igelmund inmitten dieser Familientragödie seinen seelenschüttelden Job - als einer von insgesamt 25 Trauerbegleitern des DRK-Kreisverbands Bitburg-Prüm. Als sich Igelmund nach diesem rund fünfstündigen Einsatz auf den Weg zurück nach Prüm machte, steuerte er zunächst die DRK-Rettungswache an. "Da saß ich auf einer Bank und war plötzlich nicht mehr imstande, die Kaffeetasse zum Mund zu führen. Ich war körperlich fertig", erinnert er sich.Und trotzdem machte Harald Igelmund weiter - ehrenamtlich. Für die ersten schweren Stunden begleitet der Verwaltungsbeamte beim Landesbetrieb Straßen und Verkehr (LSV) Betroffene in deren Notlage und hilft "bei der behutsamen Wahrnehmung der Situation", wie es offiziell heißt. Doch nicht nur das: Von Fall zu Fall helfen die DRK-Trauerbegleiter auch wenn es darum geht, den Kontakt zu einem Arzt herzustellen, beim Gespräch mit dem Bestatter dabei zu sein oder die nächsten Angehörigen bei der Beisetzung zu begleiten.Noch ganz genau erinnert sich Harald Igelmund an seinen Ausbilder, der den angehenden Trauerbegleitern klar machte: "Wenn du zum Beispiel nach einem Unfall die Nachricht überbringst, musst du wissen, dass sich der Lebenslauf des Menschen, vor dem du stehst, komplett verändert." Igelmund: "Das ist ein Satz, den werde ich nie vergessen."Also handelt er auch danach. Seit inzwischen rund zwei Jahren ist Harald Igelmund Tag und Nacht einsatzbereit, um in Unglücksfällen von der DRK-Leitstelle alarmiert zu werden. "Wenn dies der Fall ist und man sich selbst zu diesem Zeitpunkt dazu in der Lage sieht, fährt man raus." Und nur, wo Hilfe gewünscht werde, trete man in Aktion, betont Igelmund. "Wir drängen uns nicht auf, außerdem muss jede Unterstützung individuell sein".Und warum tut ein Mann im besten Alter sich so etwas an? Dazu noch für null Euro, lediglich gegen Erstattung der Fahrt- und Telefonkosten? Die Antwort kennt Harald Igelmund selbst nicht so genau. Aber: Als er die Lerninhalte des DRK-Seminars für Notfallnachsorger gelesen habe, sei im klar gewesen: "Ja, das ist es. Das willst du machen!".Zudem habe er aufgrund seiner Erfahrung als Ehrenamtlicher im Rettungsdienst einen besonderen Hintergrund; nämlich den, dass es unbefriedigend sei, Angehörige einfach so zurücklassen zu müssen. Deshalb bereue er es auch nicht, den Job übernommen zu haben, denn die Dankbarkeit der Leute sei enorm. Igelmund: "Dafür steht man auch nachts auf."Trauerbegleiter: Bedarf nimmt zu

Dankbar, dass es die Sterbebegleiter gibt, ist auch Rainer Hoffmann. Der Chef des DRK-Bildungswerks Bitburg-Prüm ist auch zuständig für die Ehrenamtlichen. Er weiß, dass die Tendenz, Trauerbegleiter zu bestellen, steigend ist. Während sie 2003 in 45 Fällen gerufen wurden, waren es im vergangenen Jahr bereits 60. Durch die ehrenamtliche Tätigkeit hält sich das Budget zwar in Grenzen, trotzdem entstehen Kosten zum Beispiel für Ausrüstung mit "Crash-Koffer", Bekleidung und Telefongebühren. Das DRK finanziert dies aus den üblichen Mitgliedsbeiträgen und aus Spenden.Wer das DRK-Projekt unterstützen möchte, kann dies durch eine Spende tun: Kreissparkasse Bitburg-Prüm, Bankleitzahl 58650030, Kontonummer 7575, oder Volksbank Bitburg, Bankleitzahl 58660101, Kontonummer 2047005. Kennwort: "Notfallnachsorge".

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