Akkerat un ohne Bohei

KÖLN. Nachschlagen und sich freuen: Peter Honnen hat unter dem Titel "Kappes, Knies & Klüngel" das Regionalwörterbuch des Rheinlands verfasst.

Unsere Dialekte sterben aus. Immer weniger Menschen lernen neben dem Hochdeutschen die Mundart ihres Landstrichs, das so genannte Platt, in dem sich so viel Individualität ausdrücken lässt. Statt dessen benutzen sie Umgangssprache, oder, wissenschaftlich ausgedrückt, einen Regiolekt: Das ist die Ausdrucksform, die sich zwischen dem reinen Hochdeutsch und dem Dialekt bewegt. Alltagssprache ohne Schlips und Kragen, in der sich noch deutliche Dialekt-Spuren nachweisen lassen. Diesem Regiolekt, in diesem Fall dem rheinischen, hat Peter Honnen ein Buch gewidmet: "Kappes, Knies und Klüngel". Das "Regionalwörterbuch des Rheinlands" demonstriert mit 1500 Begriffen auf rund 220 Seiten, mit wieviel Witz und Phantasie die Menschen zwischen Aachen und Gummersbach, Emmerich und Bad Kreuznach schwätzen , kallen und verzällen . Und das zu lesen macht Freude. Weil der Autor nicht nur die Worte und ihre Bedeutungen akkerat erklärt und herleitet, sondern weil er das Ganze auch ohne großen Bohei wissenschaftlich einsortiert, und weil ihm stets herrliche Beispielsätze aus dem richtigen Leben einfallen: Appel: Apfel. "Komm, wir gehen Äppel klaun." zoppen: eintauchen, tunken, stippen. "Ich geh nich mehr ins Wasser, die Jungs ham mich schon wieder gezoppt." titschen: anstoßen. "Du krichs gleich eine getitscht!"
Äppel klaun, Mömmessen piddeln



schrappen: Gemüse abstreifen oder etwas dünn schmieren. "Du muss die Butter nich so schrappen, der Krieg is vorbei." poppen: koitieren. "Poppen kann jeder, aber hinterher für die Kinder aufkommen, da hördet dann auf." Mömmes: verhärteter Nasenschleim. "Kuck dir dat Ferkel an, ständig holt der sich die Mömmesse aus der Nas." Piselskram: unbedeutendes Zeug. "Dat is doch alles Piselskram, wat ihr da in eurer Frauengruppe macht." Und so weiter - auf jeder Seite findet der Leser hier Grund zum Grinsen. Allerdings vor ernstem Hintergrund: Denn Honnen will verhindern, dass den Regiolekten das Gleiche widerfährt wie den Dialekten: Dass sie "als Sprache der Ungebildeten" diffamiert werden und ebenfalls aussterben. Diese Diffamierung, schreibt Honnen, "hat im Rheinland dazu beigetragen, dass eine Sprache verschwindet, die wichtige Funktionen in der alltäglichen, informellen Kommunikation hatte. Wenn heute die Regiolekte diese Lücke ausfüllen, darf ihnen nicht ähnliches widerfahren." Denn die "umgangssprachliche Kompetenz, die Fähigkeit, die Sprachlage der jeweiligen Situation anzupassen, ist auch im nachdialektalen Zeitalter von großer Bedeutung." Honnens Überzeugung lautet daher: Regiolekt ist kein "falsches Deutsch, das ausschließlich von Unterprivilegierten gesprochen wird." Im Gegenteil, sagt der Autor. Und er schreibt den Deutschlehrern ins Klassenbuch: "Es ist eben nicht falsch, von frickeln , brasseln oder püntern zu sprechen, es kann in bestimmten Situationen sogar ,richtiger' sein als die Verwendung hochsprachlicher Verben." Peter Honnen, "Kappes, Knies & Klüngel" - Regionalwörterbuch des Rheinlands. Herausgegeben vom Landschaftsverband Rheinland, Amt für Landeskunde. Greven Verlag Köln 2003; ISBN 3-7743-0337-1, Preis: 9,90 Euro.

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