Alle Macht den Kreisen

BITBURG. Wenn die Kreise eigene Steuerquellen hätten und Behörden wie Arbeitsamt, Straßenverwaltung oder Polizei integriert vor Ort würden, würde die Regionalpolitik effektiver, glaubt Bitburgs Bürgermeister Joachim Streit.

Seit vergangener Woche gibt es in Berlin eine Kommission, in der sich Vertreter von Bund und Ländern Gedanken darüber machen, wie Föderalismus in Deutschland künftig aussehen soll. In Mainz tagt derweil eine Enquete-Kommission, die sich mit der darunter liegenden staatlichen Ebene, dem verhältnis zwischen Land und Kommunen befasst. Zu alle dem sollen die Kommunalfinanzen reformiert werden. Für Bitburgs Bürgermeister Joachim Streit hängen diese Diskussionsebenen eng zusammen. Für den Rathauschef, der auch dem Vorstand des rheinland-pfälzischen Städtetages angehört, sollte den Landkreisen bei einer Neuverteilung der föderalen Zuständigkeiten eine Schlüsselrolle zukommen. Streits Ideen in diesem Zusammenhang sind durchaus radikal. "Innenministerium reagiert sehr träge"

"Sicher ist bei aller Neugliederung: Landkreise als solche sind gewollt und verfassungsrechtlich in Artikel 28 des Grundgesetzes abgesichert. Und das ist auch gut so", erklärt Streit. Ungut sei jedoch, dass der Kreis keine eigenen Steuern erheben darf, sondern sich aus Umlagen finanziert und damit die Gemeinden schwächt. In der Stadt Bitburg, die aufgrund ihrer günstigen wirtschaftlichen Situation fette Gewerbesteuer-Einnahmen hat, sind die Umlagesummen besonders hoch. Von den 22,3 Millionen Euro Kreisumlage zahlt die Stadt mit 6,4 Millionen Euro fast 30 Prozent. Besonders krass ist die Situation im Kreis Bitburg-Prüm seit der Einführung der progressiven Umlage für die Aufgaben der Kreisverwaltung vor drei Jahren. Das bedeutet, dass alle Gemeinden mit über dem Landesdurchschnitt liegenden Steuereinnahmen wesentlich kräftiger zur Kasse gebeten werden als weniger gut betuchte Kommunen. Im Ergebnis bezahlen die zehn Progressionsgemeinden im Kreis 12,6 Milllionen Umlage - 6,2 Millionen davon gehen auf die Progression zurück. Von diesem Anteil wieder tragen die Gemeinden Weinsheim, Prüm, Bitburg und Pittenbach 97 Prozent. Alle übrigen 225 Kommuen zahlen dagegen insgesamt nur 9,7 Millionen Euro. Angesichts dieser Belastung fordert Streit im Rahmen der anstehenden Gemeindefinanzreform ein originäres Steuerhebungsrecht für die Landkreise. "Der Haushaltswahrheit und -klarheit entspräche es, wenn die Steuerzahler über eine direkte Steuer den Kreishaushalt decken, bei gleicher Steuerentlastung auf Gemeindeebene", sagt Streit, zugleich müsste die Kreisumlage abgeschafft werden. Zugleich möchte Streit die Kreise funktional zu "Motoren der Entwicklung" machen. Sein Ansatzpunkt dabei ist die Tatsache, dass neben dem kommunalen System Landes- und Bundesbehörden existieren, die bis auf die kommunale Ebene hinab wirken. Er denkt dabei an Polizei, Katasteramt, Gewerbeaufsicht, Forstämter sowie die landwirtschaftlichen Beratungsstellen und Lehr- und Versuchsanstalten. "Vor Jahren ist ein Fehler mit der Ausgliederung der Polizei gemacht worden", sagt Streit. Die Kreise seien damit einer wichtigen Einflussmöglichkeit beraubt worden. Dies ist aus seiner Sicht jüngst bei der Einbruchserie im Norden des Kreises deutlich geworden. "Das Innenministerium hat erst spät und sehr träge reagiert. Der Landkreis als Dienstherr wäre schneller gewesen", meint Streit. Auch die Bundesanstalt für Arbeit könne aus Nürnberg keine lokalen Akzente setzen, die Landkreise dagegen sehr wohl. Streit ist sich sicher, dass langfristig die Synergien einer vernetzten Amtführung in der Kreisverwaltung "enorm" sind. "Schließlich wären die Kreistage damit in der Lage, echte Regionalpolitik zu betreiben", glaubt er - ganz abgesehen davon, dass in einem solchen Modell viele Leitungsposten überflüssig wären und so auch Geld gespart werden könnte.

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