"Alles mit Maß und Ziel" - Anna Schwingel aus Utscheid wird 103 Jahre alt
Utscheid · Im kleinen Eifeldorf Utscheid wird heute ein seltenes Fest gefeiert: Anna Schwingel, die seit etwa sechs Jahren dort im Haus ihrer Nichte lebt, wird 103 Jahre alt. Der TV hat die rüstige Dame besucht.
Utscheid. Die Sonne strahlt an diesem Morgen in das Wohnzimmer von Anna Schwingel - und die alte Dame tut es ihr gleich. Mit einem verschmitzten Lächeln und funkelnden Augen sitzt sie am Tisch, die Haare frisch gekämmt, die Lippen leicht geschminkt. "Lippenstift muss sein, wenn etwas Besonderes ansteht", erzählt ihre Nichte Christine lachend.
Seit etwa sechs Jahren lebt "Annchen" schon bei ihr im Haus. Vorher hatte sie mit ihrer Schwester bis zu deren Tod im Alter von 102 Jahren gemeinsam im saarländischen Heimatort Frankenholz gelebt. Ins Altenheim zu gehen, "ist nicht mein Ding", sagt sie. Für die Nichte stand fest: Die Tante kommt zu ihr. "Meine Zwillingsschwester und ich waren früher immer bei der Tante im Haus. Das war für uns wie daheim. Und wir durften als Kinder auch oft mit ihr in Urlaub fahren."Ab in die Eifel
So hieß es für Anna Schwingel, die gerne gereist ist, erneut Koffer packen. Mitsamt ihren Möbeln zog sie in die Eifel. Im Wohnzimmer stehen ihr Eichenschrank, dazu ihr Tisch mit Stühlen und natürlich ihr Lieblingssessel, von wo aus sie übers Dorf schauen kann. An den Wänden hängen viele alte Fotos von ihrem Mann, der schon vor über 50 Jahren verstorben ist, ihren Eltern, Schwiegereltern und anderen Lieben. Sie alle sind längst tot. Es gibt kaum jemanden mehr, mit dem sie gemeinsame Erinnerungen teilen kann. Doch Anna Schwingel schaut nicht wehmütig zurück. "Es war alles gut", sagt sie zufrieden. "Man muss die Dinge von der leichten Seite sehen", sagt sie langsam, aber überzeugt. Und wenn es wirklich mal unangenehm wird? "Ich kann einige Dinge überhören", antwortet sie mit Schalk in ihren Augen. Auch ein Sturz kann sie offenbar nicht aus der Bahn werfen, obwohl die Erholungsphasen mit zunehmendem Alter länger dauern.
"Ihr müsst so sorgen, dass ich alt werden kann", macht sie ihrer Nichte eine klare Ansage, um dann anzuhängen: "Ich bin keine alte Frau." Anna Schwingel weiß genau, was sie will - und was sie nicht will. Sie, die außer für eine Augen-Operation noch nie im Krankenhaus war, will dort auch nicht hin. Und zum Doktor erst recht nicht. Nur die Hausärztin darf gelegentlich mal zur Routineuntersuchung ins Haus kommen. Mehr aber nicht.
Brille und Hörgerät liegen unbenutzt in der Schublade, nur zum Gehen nimmt sie mittlerweile einen Stock. Manchmal. Doch wie hat sie es geschafft, tatsächlich so viele Lebensjahre zu vollenden? Etwa jeden Tag ein Stück Lyoner für die Saarländerin? Nein. Viel bescheidener. "Alles mit Maß und Ziel", sagt sie. Und dazu: "Nicht schlecht denken und nicht über andere reden."
103 Jahre - ein seltenes Fest. Vertreter von Kirche und Gemeinde haben sich für heute angekündigt. Ein großes Fest wie zum Hundertsten wird es aber nicht geben. Es wäre zu viel für Anna Schwingel. Also alles mit Maß. Passt doch. Und wenn die letzten Gäste dann fort sind, wird sie vielleicht noch Kraft haben, "Wer wird Millionär" anzuschalten. "Tante, guckst du das gerne?" - "Ei joh!"Extra
Eine TV-Umfrage bei den Verbandsgemeindeverwaltungen hat ergeben, dass im Eifelkreis Bitburg-Prüm derzeit 17 Männer und Frauen leben, die über 100 Jahre alt sind. Sie teilen sich wie folgt auf: Spitzenreiter ist die Verbandsgemeinde Prüm mit zehn Bürgern über 100 Jahre. In der Verbandsgemeinde Südeifel leben zwei Über-Hundertjährige, zwei machen die Hundert dieses Jahr aber noch voll. Im Bitburger Land haben drei Frauen die Hundert bereits überschritten. In der Verbandsgemeinde Arzfeld sind es zwei Mitbürger. Der älteste Einwohner der Verbandsgemeinde Speicher ist 98 Jahre alt. wiw
