"Als wäre es gestern gewesen"

BITBURG. "33 Namen ohne Geschichte", so lautete am 29. März eine Überschrift im Trierischen Volksfreund. Hans François aus Bitburg hat sich auf unseren Aufruf hin gemeldet und seine Erinnerungen an die Zeit von 1942 bis 1944 in Bitburg geschildert.

"Ich erinnere mich an diese Zeit, als wäre sie gestern gewesen", erzählt Hans François und meint damit die drei letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs. Der heute 73-Jährige aus Bitburg hat Bilder in die TV-Redaktion mitgebracht. "Das hier waren die Baracken, in denen die deutschen Soldaten untergebracht waren", sagt er und zeigt verschiedene Schwarz-weiß-Fotografien. Die Baracken standen in der Burbetstraße. Als Junge viel bei den Soldaten gewesen

Der Zusammenhang zwischen diesen Baracken und den 33 ausländischen Menschen, die auf dem Friedhof an der Erdorfer Straße liegen, und die wohl alle in den letzten Kriegsjahren in Bitburg gestorben sind, wird nicht sofort klar. Doch François erzählt weiter: "Einen der 33 Namen auf den Grabsteinen habe ich sofort wieder erkannt, als ich den Artikel las", sagt François und zeigt auf den Namen Warsili Barlimin. "Das war einer der russischen Gefangenen, die ich immer zu den Gärten begleitet habe." Als Junge ist Hans François viel bei den Baracken herum gelaufen. "Statt mit meinen Klassenkameraden zu spielen, war ich lieber bei den Soldaten", erzählt er. Als Elfjähriger hat er für sie Einkäufe erledigt, sich mit ihnen unterhalten oder einfach für sie Zigaretten gedreht. Ganz in der Nähe der Burbetstraße gab es mehrere Gärten. "Alles, was dort angepflanzt wurde, war für die Kantine der Soldaten bestimmt", erinnert sich François. Nur rund zehn Gehminuten von den Baracke entfernt sei ein Gefangenenlager gewesen: "Russen waren dort untergebracht, hinter einem hohen Stacheldrahtzaun." Die Gefangenen seien gefragt worden, ob sie bei der Gemüseernte helfen wollten. Etwa sechs der Russen hätten sich freiwillig gemeldet. "Die deutschen Soldaten hatten mich gefragt, ob ich die Gefangenen bis zu den Gärten begleiten wollte", erzählt François. Ein Bild hat sich dem Bitburger bis heute ins Gedächtnis eingebrannt: "Einer der Russen nahm einen großen Rotkohlkopf von der Erde, biss zweimal gierig rein und reichte das, was noch von dem Kopf übrig war, an den Nächsten weiter." Die Gefangenen, die laut François kaum etwas zu essen bekommen hatten, seien "dünn wie Bohnenstangen" gewesen. Nicht selten seien Gefangene auch gestorben. "Ich habe dann geholfen, die Toten zu beerdigen", sagt der 73-Jährige. Die Toten seien in Leinentüchern eingewickelt und in ein Loch auf dem Friedhof an der Erdorfer Straße geworfen worden. Jahre später, so hat sich François erzählen lassen, seien die Leichname ausgegraben und in Einzelgräber gelegt worden. Doch warum kann sich Hans François mehr als 60 Jahre später noch an den Namen Warsili Barlimin erinnern? "Der war mir damals so sympathisch, weil er immer so nett zu mir war", erzählt der Bitburger. Gesprochen hat er aber nie mit einem der Russen. "Das ging wegen der Sprache nicht." "Eines Tages hatte ich aber gehört, wie einer der Russen diesen Mann beim Namen rief. Seitdem habe ich seinen Namen nicht mehr vergessen." Doch auf den 33 Grabsteinen auf dem Friedhof an der Erdorfer Straße stehen auch Frauennamen. "In dem Gefangenenlager waren ausschließlich Männer", weiß François. Wer die anderen Verstorbenen waren, bleibt also weiter ein Rätsel.

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