Amtsgericht Prüm: Prozessauftakt gegen Jugendhilfe Eifel - Erzieherin bestreitet Vorwurf der Nötigung

Prüm/Daleiden · Stubenarrest in einem verlassenen Gebäude, ohne Bett und Nahrung - eine angemessene Erziehungsmethode für aufmüpfige Zwölfjährige? Die Staatsanwaltschaft Trier findet das nicht und beschuldigt eine 39-jährige Mitarbeiterin der Jugendhilfe Eifel, einen ihrer Schützlinge genötigt zu haben.

Weil bei der Jugendhilfe Eifel Kinder mit zweifelhaften Erziehungsmethoden genötigt und teils misshandelt worden sein sollen, ermittelt seit einem Jahr die Staatsanwaltschaft Trier (der TV berichtete) gegen Mitarbeiter und Ehemalige der Einrichtung aus dem Islek. Vor dem Prümer Amtsgericht begann gestern der erste Prozess zu den Vorgängen rund um die umstrittene Jugendhilfe. Eine heute 39-jährige Frau aus der Verbandsgemeinde Arzfeld wird beschuldigt, im Sommer 2014 einen Zwölfjährigen unter zweifelhaften Bedingungen unter Hausarrest gestellt und damit genötigt zu haben.

Nach einem Streit mit dem Kind habe die Frau die Strafe angeordnet. Der Junge sei, so die Anklageschrift, aus seiner eigentlichen Gruppe in ein nicht renoviertes Nebengebäude der mittlerweile aufgelösten Wohngruppe in Daleiden gebracht worden. Sein Zimmer habe der Junge nur zum Essen verlassen dürfen. Allein und isoliert, habe er schließlich unter dem Eindruck des dort Erlebten selber darum gebeten, in die Gruppe der 39-Jährigen heimkehren zu dürfen. Die Beschuldigte habe sich dies vom Kind sogar schriftlich bestätigen lassen, betont die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. All dies erfülle den Tatbestand der Nötigung.

"Ich würde erstmal gerne wissen, was aus ihrer Sicht stimmt und was nicht", sagt Richter Oliver Emmer zur Angeklagten. "Was stimmt, ist, dass er für eine Auszeit in Daleiden war", sagt die Frau, die in der Verhandlung ganz ruhig blieb. Die Begleitumstände und die Bedingungen klingen in ihren Schilderungen allerdings deutlich undramatischer, als die Klageschrift erwarten ließ.

Ausgangspunkt der Geschichte sei eine Diskussion mit dem Jungen gewesen. Im Sommer 2014 sei er zurechtgewiesen worden, weil er auf den Gruppenbus geklettert sei und eine Beule ins Dach gedrückt habe. Im Gespräch habe er geschrien: "Ich möchte eure Fratzen nicht mehr sehen."

Sie habe ihm erklärt, dass, wenn er das ernst meine, eine Auszeit durchaus möglich sei und er für einige Tage nach Daleiden könne: "Um sich darüber klar zu werden, ob er das ernst meint." Das Kind lebte bis dahin schon seit 2011 in ihrer Gruppe. Nach Rücksprache mit dem damals zuständigen Jugendamt Frankfurt und auch mit der Mutter des Kindes, sei er freitags von einem Kollegen abgeholt und sonntags von ihr selber wieder heimgebracht worden. Das Vorgehen habe sie vorher mit den diensthabenden Kollegen besprochen.

"Wurden dabei von Ihnen Angaben gemacht, wo und wie der Junge untergebracht werden soll?", fragt Richter Emmer. "Nein, ich gab nur mit, dass er Zeit auf seinem Zimmer verbringen soll. Um darüber nachdenken zu können, was er möchte. Damit dies dann auch verbindlich mit ihm ist, sollte er das schriftlich festhalten", sagt sie. Es sei immer nur über einen Umzug übers Wochenende gesprochen worden.

Erst als die Polizei sie zum Fall einer mittlerweile ausgeschiedenen Mitarbeiterin vernahm, habe sie erfahren, wo der Junge schließlich geschlafen habe.Aussagen decken sich


"Das Zimmer ging von einem Flur ab. Der war zwar keine Baustelle, aber auch noch nicht fertig renoviert. Es war eben ein älteres Haus", sagt der Heranwachsende in seiner Zeugenaussage. Verlassen sei der Flur nicht gewesen. "Ein anderes Kind hatte da noch sein Zimmer." Der Raum sei sauber gewesen, er habe ein eigenes Bad gehabt. "Nur eben kein Bett, stattdessen aber eine Matratze", sagt der 14-Jährige. Zum Essen habe er den Raum jeweils verlassen, die restliche Zeit gelesen und eben das Schriftstück verfasst. "Es war alles offen, ich wusste nur nicht, ob ich raus darf. Es war ja eine Auszeit." Emmer möchte wissen, ob er sich allein gelassen fühlte. "Nein, ich konnte ja mit den Erwachsenen reden. Aber es war schon etwas langweilig." Noch immer lebe er in der Gruppe der Beschuldigten. Das Verhältnis zu ihr sei gut. "Ich fühle mich wohl. Mit ihr kann ich reden", sagt er. Richter Emmer regte angesichts bisher unbekannter Details an, das Verfahren einzustellen. "Einerseits ist der Zweck der Verlegung nun klar, andererseits, dass es nicht auf unbestimmte Zeit war, sondern immer für das Wochenende geplant gewesen ist." Desweiteren sei im Protokoll bisher nichts davon zu finden, dass Mutter und Amt einbezogen waren. "Trifft das zu, wäre es ein glasklarer Freispruch."

Die Staatsanwaltschaft Trier lehnt allerdings eine Einstellung ab.
Der Prozess wird am Montag, 19. September, um 9 Uhr fortgesetzt.

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