Amtsgerichtsdirektor im Zeugenstand

BITBURG/LINNICH. (iz) Mit allen Tricks und Kniffen: Nach vier Verhandlungstagen im "Gauleiter-Prozess" um einen Polizisten, der seine Mieter im Gaytal mit kriminellen Methoden unter Druck gesetzt haben soll, liegen die Nerven teilweise blank. Selbst Amtsgerichtsdirektor Werner von Schichau sorgte im Zeugenstand für Aufregung.

Die Wellen im "Gauleiter-Prozess" schlagen auch am vierten Verhandlungstag hoch. Angeklagt ist ein vom Dienst suspendierter Polizist, der seine Mieter in Ferienhäusern im Gaytal mit kriminellen Methoden unter Druck gesetzt haben soll (der TV berichtete). Teilweise nimmt der Prozess Züge einer Posse an, in der keiner mehr jemandem traut. Bereits vernommene Zeugen verfolgen interessiert den Prozess. Mit Adleraugen wachen die Verteidiger des angeklagten Polizisten aus Linnich darüber, dass "diese Herrschaften" in den Pausen kein Wort mit noch geladenen Zeugen wechseln. Und auch die Staatsanwaltschaft scheut keine Mühe und zieht Akten aus den unterschiedlichsten Verfahren zu Rate. Doch im Mittelpunkt steht die Zeugenvernehmung. Schließlich gilt es mehr als 30 Zeugen zu Wort kommen zu lassen. So bestätigte ein Nachbar, dass der Angeklagte "schräge Vögel" als Mieter aufnahm, obwohl er über deren Vergangenheit wusste. Diesem Zeugen gegenüber prahlte der Angeklagte bei einem Bier an der Theke: "Bei den Braunen wäre ich Gauleiter!" Dem Angeklagten wird außerdem vorgeworfen, dass er einem Mieter die Aussichten auf eine neue Wohnung zunichte gemacht habe, weil er bei den neuen potenziellen Vermietern vorgesprochen habe. Einem Zeugen sollen außerdem Maschinen, Kabeltrommeln und Aggregate abhanden gekommen sein. Ein Teil der Maschinen stehe immer noch im Gaytal und sei abholbereit, da sei nichts weggekommen, trat die Verteidigung in diesem Anklagepunkt die Flucht nach vorn an. Und aus manchen seien sicher schon Stalingrad-Denkmäler geworden, mutmaßt ein Verteidiger polemisch, als ein Zeuge eine große Maschine als vermisst angibt. Einem ehemaligen Mieter des Angeklagten, der über vier Jahre im Zweiten Weltkrieg in Russland gewesen war, soll der Angeklagte vorgehalten haben: "Wenn ihr damals besser gekämpft hättet, dann hätten wir heute noch das Dritte Reich." Zu der Wohnung dieses Zeugen, wegen Körperverletzung am Angeklagten rechtskräftig verurteilt ("Und dazu stehe ich auch", bekräftigt der Zeuge), soll sich der suspendierte Polizist mit einem Brecheisen Zugang verschafft haben.Private Dienstfahrten waren nichts Außergewöhnliches

Auch vom Angeklagten ausgebildete Polizisten wurden vom Gericht geladen und zu den privaten Dienstfahrten des Angeklagten zu seinen Mietern vernommen. "Ich sah das nicht als so bemerkenswert an, zumal ich nicht merkte, dass wir das Bundesland überhaupt verlassen hatten", sagte ein Beamter vor Gericht, denn auch mit anderen Ausbildern seien ausgiebige Fahrten nach Rheinland-Pfalz unternommen worden. Spannungen im Gerichtssaal waren bei der Vernehmung des Amtsgerichtsdirektors Werner von Schichau spürbar. "Die Wahrheitspflicht gilt auch für Amtsrichter, ich lasse das nicht zu, dass ein deutscher Richter sich so aufspielt", giftete ein Vertreter der Verteidigung den Direktor an, nachdem dieser seine Antwort zum dritten Mal wiederholen sollte und dieser Forderung nicht nachkam. Aufgrund seines "guten Herzens" verzichtete die Verteidigung jedoch auf die Vereidigung des Gerichtsdirektors. Mit den Worten "Halten Sie den Mund" kommentierte dieser das Fehlverhalten der Verteidigung beim Verlassen des Gerichtssaals. In der kommenden Woche geht's weiter: Dann stehen zwei weitere Prozesstage an, bevor voraussichtlich am 23. September das Urteil verkündet wird.

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