Armut hat viele Gesichter

"Hartz IV - Ursache oder Folge von Kinder- und Jugendarmut?" lautete der Titel der fünften Jugendkonferenz der Arge Bitburg-Prüm am Montag im Europäischen Berufsbildungswerk Bitburg. Die zweistündige Diskussion mit Vertretern zahlreicher Hilfsorganisationen und Jugendlichen leitete TV-Redakteur Markus Hormes.

 Carl Diederich, Markus Regnery, Wolfram Leibe, Burkhard Löwe, Rebecca Arendt, Michael Fasen und Peter Berger haben bei der Jugendkonferenz über Armut diskutiert. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Carl Diederich, Markus Regnery, Wolfram Leibe, Burkhard Löwe, Rebecca Arendt, Michael Fasen und Peter Berger haben bei der Jugendkonferenz über Armut diskutiert. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Bitburg. (sys) Dreißig Jahre auf dem Bau gearbeitet, Firma pleite, Frau weg. Ein Bruch in der Lebenssituation steht häufig am Beginn einer Spirale, die langsam aber stetig in die Armut führt. Das ist nur ein Beispiel für den Weg eines sozialen Abstiegs. Die Vertreter von Hilfsinitiativen, die an der fünften Jugendkonferenz der Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit und des Landkreises Bitburg-Prüm, kurz Arge, teilnahmen, betonten, dass Armut immer individuell betrachtet werden muss.

Auf die Frage, wie Armut bekämpft werden könne, plädierte Dieter Schares vom Bürgerservice für eine Kombination aus "Qualifikation und Orientierung". Den Aspekt, mehr Lebenshilfe in die Schulen zu bringen, griffen die Jugendlichen zustimmend auf und wünschten sich, im Unterricht den Umgang mit Geld zu trainieren oder über Versicherungen und Verträge aufgeklärt zu werden.

Eine Anleitung, wie im Alltag Geld zu sparen sei, wäre auch durch Kochkurse in den Schulen denkbar, ergänzte eine Sozialarbeiterin der Caritas - nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Last der Lehrer bereits immens sei.

Die Arbeitsloseninitiative Bitburg (Alibi) setze darauf, Langzeitarbeitslose dabei zu unterstützen, ihrem Tag wieder eine Struktur zu geben, erklärte Burkhard Löwe. Darüber hinaus knüpft Alibi ein individuelles Netz für die Betroffenen, indem sie beispielsweise Schuldner- und Suchtberatung hinzuzieht.

Jugendliche, die am Projekt IJAB (Integration Jugendlicher in Ausbildung und Beschäftigung) teilnehmen, forderten zur Vorbeugung gegen den Abstieg Jugendräume in den Dörfern, um Jugendliche von der Straße zu holen.

Johannes Roß-Klein, Rektor der Otto-Hahn-Realschule, warnte vor einem Anstieg der verdeckten Armut. Bereits 22 Prozent der Eltern seiner Schüler seien alleinerziehend. Nach dem Armutsbericht der Bundesregierung birgt dieser Umstand das größte Armutsrisiko. Lernmittelfreiheit wäre eine große Hilfe für diese Kinder.

Schüler des St.-Willibrord- Gymnasiums brachten mit ihren kritischen Ansichten Zündstoff in die Diskussion: Von "Jammern auf hohem Niveau" war die Rede. Betroffene sollten Armut als Motivation sehen. Sie forderten sie dazu auf, die Weichen für bessere Voraussetzungen aus eigenem Antrieb zu stellen: Abitur statt schlechter Hauptschulabschluss.

Sehr einverstanden zeigten sie sich mit der Veränderung, die Hartz IV in die Gesellschaft gebracht hat. Denn seit der Einführung fordere der Staat auch etwas, statt nur zu geben. Wolfram Leibe, Leiter der Agentur für Arbeit Trier, zog ebenfalls ein positives Fazit: "Hartz IV ist eine Chance", sagte er. Denn es habe die versteckte Armut sichtbar gemacht.

Da der Sozialstaat seit 2005 Leistungen auch streiche und das Fordern in den Vordergrund gerückt habe, sei Hartz IV vor allem "erfolgreich gegen die sich über Generationen fortsetzende Arbeitslosigkeit innerhalb einer Familie".

EXTRA Die Armut liegt vor der Haustür. Das zeigt die steigende Zahl der Menschen, die ihre Lebensmittel von der Bitburger Tafel beziehen. Seit zwei Jahren gibt es die Tafel, für die sich 90 Ehrenamtliche engagieren. Peter Berger, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Hilfsinitiative, legte offen, dass inzwischen 650 Erwachsene und 430 Kinder ihr Essen von der Tafel bekommen. Die größte Gruppe der Bedürftigen sei die der Hartz IV-Empfänger. Wie entscheidend die Familiensituation für das Armutsrisiko ist, ist an folgender Zahl abzulesen: In Bitburg leben 57 Prozent der Kinder, die auf Hartz IV angewiesen sind, bei alleinerziehenden Eltern. Schulden sind ein häufiger Begleiter armer Menschen. Michael Fasan von der Schuldnerberatung des Caritas Verbandes Westeifel hat im vergangenen Jahr 800 Beratungsfälle gezählt, davon nahmen 540 Menschen kontinuierliche Beratung über einen langen Zeitraum in Anspruch. (sys)

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