Asphalt für die Milchstraße

ORLENBACH. In 14 Tagen ist die Sache endlich eingetütet. Dann wird der Lückenschluss zwischen A 60 und Schloßheck vollzogen sein – lumpige 0,94 Kilometer, deren rund 20-jährige Planung nicht nur den Behörden, sondern besonders dem Management der Milch-Union Hocheifel (Muh) immer wieder sauer aufstieß. Wie es sich "anfühlt", einen ganzen Tag lang eine unter Hochdruck arbeitende Teer-Kolonne zu begleiten, wollte TV-Redakteur Manfred Reuter wissen.

Dienstag, 31. Mai, 6.30 Uhr, Auw/Schneifel, Zentrale der Backes Bau GmbH: Während Horst und Norbert Backes noch einmal den bevorstehenden Arbeitstag im Detail besprechen, trudeln die ersten Bauarbeiter ein, die, fast lautlos, genauso schnell wieder verschwinden - zu den rund 20 aktuellen Backes-Baustellen, irgendwo in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Schwielen sind einkalkuliert

Heute möchte ich einer von ihnen sein. Angetrieben von purer Neugierde will ich wissen, wie es ist, einen ganzen Tag lang in Blaumann und festem Schuhwerk draußen zu jobben, statt leger konfektioniert drinnen zu schreiben. Allerdings liegt es mir fern, auf einer x-beliebigen Baustelle mit Hand anzulegen; im Visier ist der Neubau der - ja schon fast herbeigebeteten - "Milchstraße" auf der Schloßheck, die dem nur wenige hundert Meter weit entfernten Molkerei-Riesen endlich eine taugliche Infrastruktur sichern soll. Statt Tastatur und moderner Textverarbeitung setze ich heute also auf Schaufel und Kreuzhacke. Deshalb sind Schwielen gleich im Dutzend einkalkuliert. Doch es kommt anders. Harry Schwartz ist nämlich gnädig. Der Polier düst mit mir in seinem aktenbepackten Golf über die Baustelle und erklärt das Projekt. Zum Beispiel den so genannten Regelquerschnitt, den Aufbau der Fahrbahn: 48 Zentimeter Lava von 0,60 Millimeter-Körnung, darüber 14 Zentimeter bituminöse Tragschicht (032er), dann noch einmal die fünf Zentimeter 016er Binderschicht und schließlich die Deckschicht von 3,5 Zentimetern mit der 08er Körnung. Früher hatte ich immer gedacht, man nenne das einfach nur teeren Doch schon bei meinem "Personal-Gespräch" am Morgen hat mir Horst Backes klar gemacht, dass es hier nicht um "teeren" geht, sondern um "Schwarzdeckenbau". Denn: "Teer ist ein Produkt der 50er Jahre, das es nicht mehr geben darf", klärt mich der Chef auf. Man spreche heutzutage von Bitumen mit Basalt. Allenfalls Asphalt. Apropos Asphalt: Um 8.30 Uhr schiebt sich die Teermaschine, die man inzwischen "Fertiger" nennt, ins vernebelte Landschaftsidyll der Schloßheck hinein. Unter dem konzentriert-strengen Blick von Christoph, dem symphatischen Asphalt-Chef der Kolonne, fertigt das dampfende Ungetüm die Binderschicht - und alles geht verdammt schnell: vier Meter pro Minute wie am Lineal gezogen, 180 Grad heiß, alles aus eigener Produktion, nämlich aus der Backes'schen Asphaltanlage in Stadtkyll, wo Stefan den "Stoff" mit seinem 40 Tonner (13 Tonnen Eigengewicht, 27 Tonnen heiß-dampfende Masse) abgeholt hat. Zwischendurch ordnet Christoph die Entnahme von Proben an. Drei Eimer werden gefüllt: einer für die Straßenbehörde, einer für die Firma und einer fürs Labor, wo der Inhalt auf die Korrektheit seiner Konsistenz überprüft wird. Fünf Jahre werden die Proben aufgehoben; bis zu dem Tag, an dem die Gewährleistung abläuft. Gleichzeitig klebt Peter Folien, nicht größer als eine Zeitungsseite, alle 50 Meter mitten auf die Fahrbahn. Mit einer Sonde werden die Techniker der Straßenmeisterei so später feststellen können, ob die Deckschicht auch die korrekte Höhe hat. Dem Zufall wird nichts überlassen. Asphalt-Manager im Dauereinsatz

Erst an der Kreuzung zur L 11, der eigentlichen Milchstraße, die in wenigen Tagen A 60 und Muh verbinden wird, kann ich endlich zur Schaufel greifen, darf helfen, den Asphalt in die Kehren zu schippen, die die Teermaschine - pardon, der Fertiger - nicht erreicht. Den Rest übernehmen die Walzen. Ja, die Walzen. Sie erledigen ihren Job in Windeseile, und das mit schier unglaublicher Präzision. Allerdings heißen auch Walzen nicht mehr Walzen, sondern Asphalt-Manager. In der Tat: Rafael (22) erklärt mir die Armaturen der Bomag BW 174 AD, die unter anderem Temperatur, Rüttelstatus und sogar die Verdichtung der klebrigen Masse unter den beiden gewaltigen Vibrationsrollen anzeigen. "Die Arbeit macht mir Spaß", erzählt Rafael, Langeweile komme nie auf, man habe immer etwas zu tun und müsse stets hoch konzentriert sein. Dass Rafael mich (nach gründlicher Einweisung, versteht sich) an das 78 PS starke Gerät heranlässt, weckt in Bruchteilen von Sekunden das Kind im Mann(i). Was für ein Gefühl, neun Tonnen mit einer feinen, ja praktisch kraftlosen Bewegung am Joystick über den Asphalt zu schieben. Ach, was heißt hier schieben - schweben zu lassen! Rafaels Kollege Andreas (24) hat sich daran schon längst gewöhnt. Wie Rafael stammt er aus Polen, lebt allerdings schon 13 Jahre lang in Deutschland. "Ich bin gelernter Schreiner", sagt er absolut akzentfrei, in seinem Beruf habe er keinen Job bekommen. "Wie dat heute so is", fügt er in gediegenem Eifel-Slang hinzu, und stellt etwas enttäuscht fest: "Und jetzt fahr' ich Walze." Für ihn ist klar: Im September wählt er Merkel. Die anderen hätten viel versprochen, aber wenig gehalten. "Den Schröder wähl' ich net!" Trotzdem: Zufrieden sind sie irgendwie alle. Besonders loben die Arbeiter das gute Betriebsklima bei "dö Backes-Männ", wie das insgesamt 180-Mitarbeiter starke Familienunternehmen gerne ebenso liebe- wie respektvoll genannt wird.Teer-Kolonnen machen keine Pause

Deshalb macht es den Arbeitern auch nichts aus, noch eine Stunde dranzuhängen, um den Fertiger für den nächsten Tag zu präparieren. Dann nämlich gilt es, die Feinschicht auf das 0,94 Kilometer lange L 11-Stück zwischen A 60 und Ortseingang Schloßheck aufzutragen. Auch eine echte Mittagspause lassen die "Asphalt-Manager" weg, ihre Butterbrote warten in Tupperdosen und Kühltaschen auf dem Fertiger. "Teer-Kolonnen machen keine Pause", erklärt mir Herbert kurz und knapp. Dass auch ich keine wirkliche Pause hatte und den ganzen Tag auf den Beinen war, merke ich gegen 17 Uhr. Zwar hat es keine Schwielen gegeben, dafür aber viel Fachliches, von dem ich vorher keinen blassen Schimmer hatte. Geschlafen habe ich übrigens so fest wie lange nicht. Und wenn ich irgendetwas geträumt habe, dann von einer großen gelben Walze, die ich einen ganzen Tag lang fahren durfte…

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