Auf Geweih und Verderb: Hirsche in der Umgebung von Bettingen

Bettingen/Dreis · In den Wäldern rund um Bettingen treibt sich ein Rudel Hirsche herum. Bei Facebook warnt ein Anwohner vor dem Wild. Denn er hatte als Autofahrer selbst schon einen Zusammenstoß mit einem Tier.

Auf Geweih und Verderb: Hirsche in der Umgebung von Bettingen
Foto: Niall Carson (PA Wire)

Der Tacho zeigt 100 Kilometer pro Stunde, das Display: vier Uhr nachts. Scheinwerfer fressen die Dunkelheit. Äste und Zweige huschen am Fenster vorbei. Der Wagen kreischt um die Kurve. Dann plötzlich: ein gewaltiger Schatten auf der Straße. Reifenquietschen. Ein Knall.

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Und es knallt richtig, wenn ein Auto mit einem Hirsch zusammenstößt. Die Tiere bringen rund 200 Kilogramm auf die Waage. Beim Aufprall können da schon mal Scheiben, Stoßstangen, und wenn es schlecht läuft: Knochen brechen. Lena Hansens Knochen blieben heil. Die 22-Jährige verletzt sich bei dem Unfall zwischen Schweich und Wittlich nicht. An dem Auto der jungen Frau aus Dreis im Wittlicher Land entstand allerdings Totalschaden. Und der Hirsch? Der flüchtete nach dem Zusammenstoß in den Wald.
Dass ein Wildunfall gefährlich werden kann, weiß auch Alexander Schier aus eigener Erfahrung. Vor etwa zwei Jahren rammte er mit seinem BMW zwar keinen Hirsch, dafür aber eine Kuh - auch nicht gerade ein Fliegengewicht. Die Bilanz: Das Auto des Bettingers war Schrott, er selbst blieb aber unverletzt. "Das war Glück", sagte der Jagdpächter damals. Und Schier weiß, dass das stimmt.
Solche unschönen Begegnungen möchte er seinen Freunden ersparen. Als er vor Kurzem Hirsche entlang der Prüm erspäht, setzt er deshalb einen Facebook-Beitrag ab. Im sozialen Netzwerk mahnt er zur "Vorsicht zwischen Oberweis und Bettingen!!!" Autofahrer sollen "zart machen".
Der Grund sind die Tiere, die auf einem Acker bei Bettingen grasen. Sie röhren und schlagen ihre Geweihe gegeneinander - was Hirsche halt so machen. Schier schätzt, dass zu dem Rudel etwa 15-20 Paarhufer gehören. Er beobachtet sie täglich - ab und zu auch beim Überqueren der Straße. Zweimal hat Schier einzelne Tiere am Fahrbahnrand stehen sehen.
Gerade im Herbst durchstreifen sie die Wälder. Während Rehe sich schon im Sommer paaren, liegt die Brunftzeit des Rotwilds zwischen September und Ende Oktober. Das Röhren soll willige Weibchen in den Wald locken. Man könnte das den Booty Call (Siehe Info) der Tierwelt nennen. Aber wenn keine Hirschkuh in Hörweite ist, muss der Mann eben auf Brautschau gehen. Dabei achtet er allerdings nicht darauf, ob er gerade über Stock, Stein oder Asphalt, läuft.
Hach, wie romantisch - aber auch gefährlich. Denn die Huftiere sind in dieser Zeit so blind vor Liebe, dass sie auch mal ein Auto übersehen. Und dann ist er dem Schicksal auf Geweih, äh Gedeih und Verderb ausgeliefert. Unfälle enden schon mal tödlich für die Tiere - und Menschen.
Bei einem Wildunfall gestorben, ist 2017 in der Region niemand. Verletzt haben sich aber einige, vor allem Motorradfahrer. Im Landkreis Bernkastel-Wittlich wurden 2017 bislang 957 Unfälle mit Wildtieren gemeldet, in der Vulkaneifel 743. Im Eifel Bitburg-Prüm wurden 735 Wildunfälle erfasst.

Die meisten Zusammenstöße gab es mit Rehen. Hirsche sind an weniger als zehn Prozent der Wildunfälle beteiligt. Meistens halten sie sich tief im Wald auf.
Es ist selten, dass sich ein ganzes Rudel so nah an eine viel befahrene Straße herantraut. Doch wenn sie einmal da sind, hinterlassen sie Hirsche laufen nämlich den lieben langen Tag durchs Gestrüpp. Da bleibt eine Menge Schmutz an Fell und Hufen hängen. Und den tragen sie dann auf die Fahrbahn. Wenn es dann noch regnet, werden die Straßen zur Schlitterpiste.
Schier warnt: "Bei den Serpentinen zwischen Oberweis und Bettingen ist das nicht ohne!" Also Leute:Immer schön langsam durch den Wald fahren, oder "zart machen", wie der Bettinger es ausdrücken würde. Glossar

Viele verwechseln Hirsche mit Rehen. Wer sich nicht auskennt, glaubt, dass ein Reh einfach nur ein weiblicher Hirsch ist. Das ist aber falsch. Da gibt es nämlich einen gewaltigen Unterschied von etwa 150 Kilogramm. Rehe sind viel kleiner und leichter als ihre Verwandten. Die Männchen, genannt Böcke, tragen auch keine so imposanten Geweihe wie Hirsche. Der Begriff Booty Call stammt aus der amerikanischen Jugendsprache. Booty heißt auf englisch so viel wie "Hintern", "Call" Anruf. Mit einem solchen Telefonat verabredet man sich für Sex.

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