Auf der Suche nach der gestohlenen Zeit

BITBURG. Lange hat das System mit den Wartenummern in der Bitburger Zulassungsstelle weitestgehend reibungslos funktioniert – bis die Behörde feststellen musste, dass mit den Zahlenzettelchen möglicherweise vor der eigenen Tür gehandelt wird.

Es scheint was dran zu sein an der Aussage eines Schilderprägers aus Flensburg, die vor einigen Jahren in einer Zeitung zu lesen war: "Es gibt drei Sachen in Deutschland, von denen sollte man die Finger lassen: Prostitution, Rauschgift und Kennzeichen." Prostitution und Drogen - das leuchtet ein, aber warum Kennzeichen? Weil der Markt um die kleinen rechteckigen Bleche, von denen jedes Jahr Exemplare im zweistelligen Millionenbereich über deutsche Ladentheken gehen, hart umkämpft ist. Eine Maschine zum Prägen von KFZ-Kennzeichen kann also je nachdem, ob Konkurrenz (vor allem in unmittelbarer Nähe der Zulassungsstelle) vorhanden ist oder nicht, eine Lizenz zum Gelddrucken sein. Was Bitburg betrifft, so ist auf der Liste der Dinge, von denen man die Finger lassen sollte, ein vierter Punkt hinzugekommen: die Wartemärkchen. Denn dafür scheint es in den vergangenen Wochen fast schon einen Schwarzmarkt gegeben zu haben, nach dem Motto: Ich verkürze dir die Wartezeit, dafür lässt du deine Schilder dann nicht bei der Konkurrenz, sondern bei mir prägen. In der Zulassungsstelle der Bitburg-Prümer Kreisverwaltung war es bisher so geregelt, dass sich jeder Besucher erst an dem kleinen roten Märkchenspender ein Kärtchen mit einer Nummer ziehen musste und gewartet hat, bis seine Nummer auf einem Bildschirm angezeigt wird. Fast zehn Jahre hat dieses System funktioniert - bis jemand auf die Idee kam, mit den Wartezeiten anderer Geld zu verdienen. "Am Tag vor Christi Himmelfahrt, ist es uns aufgefallen", räumt Stephan Schmitz-Wenzel von der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm auf TV-Anfrage ein. "Und wir waren stinksauer." Der Behörde liegen Hinweise vor, wonach der Schilderprägedienst im Gebäude der Kreisverwaltung (und möglicherweise auch noch weitere Präger) vor der Zulassungsstelle zuvor gezogene Wartekärtchen an Kunden weiter gegeben haben sollen. Im Gegenzug sollen diese sich dann verpflichtet haben, ihre Schilder beim Anbieter der Zettelchen prägen zu lassen. Darauf aufmerksam geworden ist die Bitburger Zulassungsstelle laut Kreisverwaltung, als an dem besagten Tag mehrere Nummern hintereinander aufgerufen wurden, jedoch trotz der vielen Wartenden keiner an der Reihe war. Alfred Staszewski, einer der Gesellschafter des Schilderprägedienstes auf dem Gelände der Kreisverwaltung, dementiert: "Wenn wir Nummern ziehen, dann ausschließlich für uns", sagt er und versichert, dass weder er noch einer seiner Mitarbeiter jemals mit Wartemärkchen gehandelt habe. "Das ist absoluter Blödsinn." So viel zum Blödsinn. Tatsache ist, dass mit der Eröffnung des neuen Prägedienstes in der Kreisverwaltung (der vorher in der Stockstraße war und nach Auskunft eines Kreistagsmitglieds jetzt über 100 000 Euro Jahresmiete zahlt) Anfang Februar die Preise in allen drei Bitburger Schilderläden über Nacht von rund 30 auf 45 Euro pro Paar Euro-Kennzeichen gestiegen sind (der TV berichtete), was den Verdacht eine Preisabsprache aufkommen ließ. Nachdem in zwei Geschäften die Preise wieder gesenkt wurden, hat vor wenigen Wochen ein weiterer Schilderdienst in der Mötscher Straße geöffnet. Ein Satz Euro-Nummernschilder ist jetzt in der Stadt für 26 bis 45 Euro zu haben. Auch die Kreisverwaltung schließt nicht aus, dass es einen Zusammenhang zwischen der neuen Wettbewerbssituation und dem Handel mit Wartemärkchen gibt. Ob die Behörde wegen der Wartemärkchen rechtliche Schritte gegen ihren Mieter unternimmt, werde derzeit noch geprüft, sagt Pressesprecher Rudolf Müller. Eine erste Reaktion gab es bereits: Die Zahlenzettel gibt es in der Zulassungsstelle jetzt nur noch am Schalter. Der Automat für die kleinen Nummern ist vorerst außer Betrieb.

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