Aufbruch nach dem Abzug

BITBURG. Andreas Schälow und Udo Stürmer sind beide 45 Jahre alt. Beide verbinden mit dem Flugplatz Bitburg einschneidende Erlebnisse - der eine vor der Schließung, der andere danach.

Als Udo Stürmer am 2. Dezember 1982 seinen Dienst auf der Airbase in Bitburg antrat, dachte er: "Hier bleibe ich nicht lang." Es sollten zwölf Jahre werden. Zuletzt arbeitete er als stellvertretender Chefingenieur unter "Mr. Bitburg", Walter J. Becker. Dessen Stelle wollte Stürmer eigentlich übernehmen, doch am 1. April 1993 kam die Ankündigung dazwischen, den Flugplatz zum 30. September 1994 zu schließen. Sechs Monate lang war die Zukunft Udo Stürmers ungewiss. "Ich war damals erst drei Jahre verheiratet", sagt Stürmer, "die Familienplanung ist dann schon schwierig. Ich wäre ja ab dem 30. September 1994 ohne Job gewesen."Kostenlose Fortbildungen für Beschäftigte

Sofort nach Bekanntgabe der Schließung stand es Stürmer und anderen Zivilbeschäftigten offen, sich kostenlos fortzubilden und sich um andere Stellen zu bewerben. Die Kosten dafür übernahm das Land Rheinland-Pfalz. Stürmer nutzte die Gelegenheit und verbesserte seine Computer- und Französischkenntnisse, vor allem im Hinblick auf eine mögliche Karriere in Luxemburg. Für die Zeit der Lehrgänge stellte die Base die Arbeitnehmer frei, wie sie sich insgesamt sehr entgegenkommend zeigte. So wurde niemandem vor dem 30. September 1994 gekündigt, auch wenn er wegen der Auflösung eigentlich nichts mehr zu tun hatte. 18 Monate Zeit blieb so den Zivilbeschäftigten, sich weiterzubilden und sich nach einer neuen Stelle umzuschauen. Gleichzeitig wurde auf dem Flugplatz Spangdahlem ein Einstellungs- und Beförderungsstopp verhängt, um es Zivilbeschäftigten aus Bitburg zu ermöglichen, in Spangdahlem eine neue Stelle zu finden. Auf offene und freiwerdende Stellen hatten Zivilbeschäftigte aus Bitburg als erste das Recht, sich zu bewerben. 250 schafften den Sprung von Bitburg nach Spangdahlem. Einer von ihnen: Udo Stürmer, jetzt Chefingenieur in Spangdahlem und für die gesamten Bauarbeiten auf dem Flugplatz verantwortlich. "Ich bin sicherlich ein Idealfall", sagt der 45-Jährige. Doch ein bisschen Wehmut blieb, kein Wunder angesichts der langen Zeit in Bitburg. "Nach der Schließung bin ich mit meiner Frau noch einmal über den Platz gefahren - ich musste weinen", sagt Stürmer. Er war einer der Letzten, die 1994 die Base verließen, hat buchstäblich die Lichter ausgeschaltet. Doch das Leben auf dem Flugplatz ging weiter. Militärs und Zivilangestellte verließen die Basis, Unternehmer und Firmengründer kamen. Andreas Schälow ist einer von ihnen. Der 45 Jahre alte Schlosser kam nach der Wende aus Berlin nach Bitburg und arbeitete zuerst in Luxemburg. Er dachte schon immer daran, sich selbstständig zu machen, plante, eine bestehende Firma zu übernehmen. Doch die anvisierte Firma erwies sich als zu sehr verschuldet. Eine Übernahme hätte sich für Schälow nicht gelohnt - er musste einen kompletten Neuanfang wagen.Angefangen mit nur einem Lehrling

Am 2. Januar 1997 meldete er sein Gewerbe auf dem Flugplatz Bitburg an. Die Belegschaft damals: er selbst und ein Lehrling. Bedenken hatte er "schon ein bisschen", aber mit einem Lehrling und der Miete für die Halle hatte Schälow nur geringe Kosten und ging kein großes Risiko ein. "Man muss halt am Anfang ein bisschen kürzer treten", sagt er. Zusammen mit einem anderen Unternehmer mietete sich Schälow in eine Halle ein. "Eigentlich wollte ich etwas kaufen, aber man hat es mir nicht leicht gemacht", sagt Schälow. Die Grundstücke seien für ihn in zu großen Stücken verkauft worden, ganze Straßen habe man kaufen können. Er wollte jedoch nur etwas Kleines für seine junge Firma. Als Sitz seiner Firma kam aber nur Bitburg in Frage, weil er seit 1990 dort wohnt. "Wo man ganz fremd ist, ist es schwer, neu anzufangen." Mit dem Gewerbegebiet auf dem Flugplatz wuchs auch sein Unternehmen: "Ich habe jedes Jahr mehr Arbeit", sagt Schälow, "mein Unternehmen wächst von ganz allein." Mittlerweile beschäftigt er einen Lehrling, einen Gesellen, einen Hilfsarbeiter, und halbtags hilft seine Frau mit. Als großen Vorteil des Gewerbegebietes auf dem Flugplatz sieht Schälow neben der vorhandenen Infrastruktur den engen Kontakt der Unternehmer untereinander. "Woanders kennt man höchstens die Nachbarfirma", sagt er. "Hier dagegen ist der Kontakt, auch wegen der gemeinsam genutzten Gastronomie, sehr gut." Drei Mal ist er auf dem Flugplatz umgezogen. Auch zurzeit ist er wieder auf der Suche nach einem passenden Grundstück für seine wachsende Firma, aber die Preise auf dem Flugplatz sind ihm zu teuer geworden. Am Anfang hätten sie die Grundstücke für ein paar Mark geradezu verschenkt. "Gerade Handwerker haben es zu Beginn schwer, sie sind nicht so flüssig und bekommen kaum Kredite. Wer nichts hat, bekommt gar nichts", sagt Schälow.

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