Ausgelassene Einkehr

OBERKAIL. Das menschliche Abenteuer mit dem spirituellen verbinden: Junge Franzosen haben im Vorfeld des Weltjugendtags einen Abend an der Frohnertkapelle verbracht.

Über der weiten Hochfläche der Eifel thront bei Oberkail einsam die Frohnertkapelle. Vor dem Wind ist sie nur durch eine mannshohe Buchenhecke und drei alte Eichen geschützt. Der Blick reicht so weit, wie ein Auge schauen kann. Aus der Kapelle dringt der Schein von Kerzen. Vor den Toren, jenseits der Buchenhecke, brennt bereits ein Lagerfeuer. Es wartet auf die etwa 35 jungen Franzosen aus Lille, die an diesem entlegenen Gotteshaus einen spirituellen Abend verbringen sollen. Die Ankunft der Erwarteten wirkt alles andere als spirituell. "Juppi, ja, ja, juppi, juppi, ja", krakeelt eine Gruppe aus etwa zehn Jugendlichen. Vor der Kapelle lösen sie sich voneinander, verschwinden, um ihre Sonnenblumensträuße abzulegen und kommen freudestrahlend zurück - sie haben die an der Seite des Gebäudes versteckten Bierkästen entdeckt. "Ihre Laune ist so gut, das könnte anstecken", prophezeit lachend eine Oberkailerin.Ein seliges Lächeln für jeden Gast

Allein aus der nordfranzösischen Stadt Lille kommen etwa 700 junge Menschen zum Weltjugendtag nach Köln. 200 von ihnen - davon rund 35 in den Pfarreien Oberkail und Kyllburg - verbrachten einige Tage in der Eifel, um Land und Leute kennen zu lernen. Jeweils zu zweit wurden sie von Gastfamilien aufgenommen. Die Glocken läuten - ein kleiner Junge zieht stolz am Seil. Er bedenkt jeden der Eintretenden mit einem seligen Lächeln. In die voll besetzte Kapelle kehrt eine unerwartete Ruhe ein - eine gelassene, festliche Ruhe, die aus den Jugendlichen selbst zu kommen scheint. Kein Gottesdienst, sondern spirituelle Anstöße erwarten sie - gemeinsamer Gesang, gemeinsames Gebet. "Ecoute la voix du Seigneur - Höre die Stimme des Herrn. Schenk deinem Herzen Gehör - wer du auch bist, dein Gott ruft dich", singen sie auf Französisch. Das "Ja-ja-juppi-Lied" der aufgedrehten ersten Minuten hatte nicht erahnen lassen, wie erhaben ihr "Magnificat" klingen würde. "Ich bewundere diese Fähigkeit der Jugendlichen", sagt Lilles Weihbischof Pascal Delannoy - die Fähigkeit, sich dem Albern mit der gleichen Freude hingeben zu können wie der inneren Einkehr. Das Vaterunser, gesprochen in der jeweiligen Muttersprache, beschließt den spirituellen Teil. In wirren Wortfetzen und sich überlagernden Sprachrhythmen erfüllt das Gebet den kleinen Raum. Dem Amen folgt eine abrupte Stille. Sie wird erst draußen wieder durchbrochen. In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden. Zwischen 18 und 28 Jahren sind die Franzosen alt - und hatten noch nie ein Stockbrot gesehen. Am Lagerfeuer erahnen sie warum: Stockbrot ist eine widrige Sache. Erstens sitzt man immer im Rauch, zweitens wird das harmlos wirkende Stück des ständig vom Stock abglitschenden und nicht garen wollenden Teigs dank der Hebelwirkung zu einer echten Herausforderung - für Geduld und Armmuskulatur. Kichernd und hustend sind sie sich über Rauchschwaden hinweg einig: So viel wie in der Eifel haben sie noch nie gegessen. Einigkeit herrscht auch in der Dankbarkeit für den herzlichen Empfang. In das Knacken der Schwedenfeuer mischt sich fröhliches, von Nasallauten durchsetztes Gelächter. Für den 25-jährigen Seminaristen Samuel Belpalme steht das religiöse Erleben im Vordergrund des Deutschlandbesuchs. "Es gibt viele Arten zu beten", sagt er und von allen könne man lernen. Andere suchen Spaß, Gemeinschaft oder internationale Begegnungen - viele eine Mischung aus alledem. "Ich wollte das menschliche Abenteuer mit dem spirituellen verbinden", erklärt Amaury Desurmont am verlöschenden Lagerfeuer, warum er gekommen ist. Mit diesen Worten dürfte er vielen der von weither angereisten Jugendlichen aus der Seele sprechen. Mehr zum Thema SEITE 11

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