Behütet im Hort oder gefordert in der Schule

BITBURG. Manche Kinder bleiben oft unnötig lange im Kindergarten oder werden von der Einschulung zurückgestellt. Einige Rektoren aus dem Kreis Bitburg-Prüm befürworten die Neufassung des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes, die ab 2004 eine Einschulung von Fünfjährigen möglich machen soll.

Für viele Kinder endet heute wieder die schönste Zeit des Jahres - die Sommerferien. Für andere Kinder konnten die Ferien nicht kurz genug sein, denn für sie beginnt - an den meisten Schulen in der Eifel am morgigen Dienstag - erst der Ernst des Lebens. Klopfenden Herzens und mit Schultüte bewaffnet, werden wieder Tausende Erstklässlern in die Grundschulen strömen. Im Durchschnitt sind die Jungen und Mädchen zu diesem Zeitpunkt 6,5 Jahre alt - mehr als ein Jahr älter als die Kinder aus den europäischen Nachbarländern. Viel zu alt, wie auch Bildungsministerin Doris Ahnen findet, zumal viele Eltern dazu neigen, ihre eigentlich schulfähigen Kinder noch ein Jahr zurückstellen zu lassen. Um diesem Trend entgegenzuwirken und das Schulsystem "Fit für die Zukunft" zu machen, hat die Bildungsministerin jetzt eine Neufassung des Schulsystems vorgestellt. In Zukunft sollen allein die individuellen Fähigkeiten eines Kindes für eine frühzeitige Einschulung ausschlaggebend sein. Bisher war es notwendig, dass die Kinder bei der Einschulung das sechste Lebensjahr vollendet haben mussten. Das neue Gesetz ist allerdings eine "Kann-Bestimmung" und bedeutet keine Pflicht für eine Einschulung mit fünf Jahren. Darüber hinaus soll die Zahl der Rückstellungen vom Schulbesuch reduziert werden. Der TV hat bei Grund- und weiterführenden Schulen im Kreis nachgefragt, was die Rektoren von der Neuregelung halten. Lothar Zepp von der Grund- und Regionalen Schule in Irrel macht eine vorzeitige Einschulung von der Entwicklung des Kindes abhängig und vertraut auf die standardisierten Tests, die in Kindergärten durchgeführt werden: "So ist es möglich festzustellen, ob ein Kind die nötige körperliche und geistige Reife mitbringt, um eingeschult zu werden." Seiner Meinung nach käme es einer Bestrafung der Kinder gleich, wenn man ihre Schulreife wegen ihres Alters ignorieren würde. Dies sei genauso falsch wie eine generelle Einschulung im Alter von fünf Jahren. Auch der Rektor der Grundschule in Wolsfeld, Josef Kewes, stimmt dem zu. Seiner Auffassung nach kommt es in den Schulen auf dem Land noch häufiger vor als in der Stadt, dass Jungen und Mädchen, die alt genug sind, zurückgestellt werden, obwohl keine schwerwiegenden Probleme vorliegen. "Die meisten Eltern möchten da kein Risiko eingehen. Mir ist es daher wichtig zu betonen, dass Kinder auch wieder ausgeschult werden können, wenn man wirklich merkt, dass es noch zu früh ist." Darüber hinaus bereite die Tatsache, dass fünf- und siebenjährige Kinder zusammen in einer Klasse wären, keine Probleme. "Erst in der Vorpubertät, im vierten oder fünften Schuljahr, kann es vorkommen, dass bei den Kann-Kindern ein kleiner Entwicklungsstau auftritt und die Älteren ein wenig schneller sind. In der Regel ist das aber nur eine kurze Phase, die keine negativen Nachwirkungen hat", sagt Kewes. Gertrud Metzen, Leiterin der Grundschule Rittersdorf, befürchtet, "dass fünfjährige Schulkinder Schwierigkeiten im emotionalen und sozialen Bereich haben". Diesen Kindern falle es schwerer, einen so langen Vormittag zu organisieren, und sie ermüdeten auch schneller als andere Kinder. Trotzdem zeige die Erfahrung, "dass Kann-Kinder selten Probleme haben zu lernen". Daher sei eine flexiblere Gestaltung der Einschulung sinnvoll, so die Rektorin. Dieser Meinung ist auch Herbert Freis, Rektor der Otto-Hahn Realschule in Bitburg. Er lehnt eine generelle Einschulung im Alter von fünf Jahren ab und vertraut auf eine Gesamtbeurteilung des Kindes durch den Kindergarten, die Grundschule und die Eltern. Darüber hinaus fordert er zuverlässige Tests, um die Reife der ABC-Schützen festzustellen. "Dennoch ist es normal, dass man in einer Altersstufe sehr reife, aber auch sehr unreife Kinder hat, egal ob in der Grund- oder einer weiterführenden Schule", sagt Freis. Auch die Eltern beschäftigen sich mit diesem Thema. Für eine vorgezogene Einschulung ist Maria Eckertz-Maus aus Esslingen. Sie ist Mutter eines achtjährigen Sohnes und befürwortet es, dass Kinder, wenn sie schulfähig sind, schon mit fünf Jahren eingeschult werden. Dem stimmt auch Petra Weides zu, die in der Nähe der Umspannanlage in Niederstedem wohnt. Sie geht sogar noch weiter und fordert verbesserte Vorschulmaßnahmen in den Kindergärten. "Meine Tochter hat sich im letzten Kindergartenjahr schon sehr gelangweilt und wurde überhaupt nicht gefordert. Das war eher eine Verwahrungsanstalt als eine Vorbereitungsmaßnahme. Wenn man hier ansetzt, ist eine vorgezogene Einschulung gar nicht mehr unbedingt notwendig", so Petra Weides.

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