"Bewährung ist lachhaft"

Bitburg · Das Amtsgericht Bitburg hat zwei 18-Jährige, die im August am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) einen Taxifahrer mit einer Schreckschusspistole überfallen haben, zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Mehrere Taxifahrer, die den Prozess verfolgt haben, sind über das "milde" Urteil entsetzt.

Bitburg. In der Dunkelheit einer Augustnacht dieses Jahres öffnen zwei maskierte Täter die Beifahrertür eines 44-jährigen Taxifahrers, der am ZOB Bitburg auf Kundschaft wartet. Sie halten dem Fahrer eine Schreckschusspistole ins Gesicht und sagen: "Geld her." Der Taxifahrer händigt ihnen zwei Geldbörsen mit insgesamt 120 Euro aus. "Autoschlüssel her", fordert einer der beiden Angreifer weiter. "Nein", antwortet der Taxifahrer, worauf die Täter zu seinem Glück flüchten. "Das war ein Reflex", erklärt der 44-Jährige vor dem Gerichtsprozess gegenüber dem TV, "denn mit meinem Auto verdiene ich als Selbstständiger mein Geld." Am 11. September hat die Polizei zwei Tatverdächtige festgenommen: zwei 18-jährige Bitburger, einen Schüler und einen Auszubildenden. Zeugen hatten sie im Vorfeld, bevor sie ihre Sturmmasken überstülpten, am Tatort erkannt. Wegen gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung mussten sich die beiden jungen Männer, die nun zwei Monate in Untersuchungshaft saßen, gestern am Amtsgericht Bitburg verantworten.
Richter Udo May entließ die beiden Heranwachsenden zum Ende der Verhandlung wieder in die Arme ihrer Familienmitglieder, die auf den Zuschauerplätzen bangten, und damit in die Freiheit. Sie kamen mit einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die das Jugendschöffengericht auf drei Jahre Bewährung aussprach, relativ glimpflich davon. "Die Untersuchungshaft hat sie schwer beeindruckt", meint Hans-Werner Nehren, Jugendgerichtshelfer des Eifelkreises. Nehren berichtet, einer der jungen Täter habe im Knast öfters Heulkrämpfe bekommen. Die beiden jungen Männer räumten den Überfall voll und ganz ein. Zudem entschuldigten sie sich im Gerichtssaal mit einem festen Handschlag bei dem Taxifahrer, den sie im Sommer ausgeraubt hatten. "Ich nehme die Entschuldigung an", antwortete dieser.
Mit der erhofften Beute, mehreren Tausend Euro, wollten sich die beiden den Führerschein finanzieren. Doch ihre Naivität, davon auszugehen, solch einen hohen Betrag mit einem Überfall auf einen Taxifahrer zu erbeuten, wollte ihnen das Gericht nicht zu ihren Gunsten anrechnen. Dennoch fiel das Urteil milder aus, als es Staatsanwältin Nina Dirion-Gerdes gefordert hatte. Sie plädierte für eine Jugendstrafe von zwei Jahren. Das verhängte Strafmaß blieb schließlich immer noch zehn Monate über der von der Verteidigung erhofften Jugendstrafe von einem Jahr. Rechtsanwalt Thomas Roggenfelder: "Die Tat erscheint in einem milderen Licht, weil sie nur 120 Euro erbeutet und sich beim Opfer entschuldigt haben." Richter May sah das anders: "Das ist ein gravierendes Verbrechen." Denn im Normalfall - ohne Jugendstrafrecht - würde ein Angeklagter dafür mindestens drei Jahre hinter Gitter gehen. Das Gericht entschied sich jedoch, die beiden Bitburger nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen. Zum einen wegen der "Reifeverzögerung", die der Jugendgerichtshelfer den beiden Männern attestierte. Zum anderen, weil das Gericht von einer günstigen Sozialprognose ausgeht. May: "Sie wollen jetzt weiter zur Schule gehen und Ihre Ausbildung abschließen, da wollen wir Ihnen keine Hürden in den Weg bauen."
Unmut machte sich nach dem Prozess unter den fünf Taxifahrern breit, die den Prozess verfolgt hatten. "Bewährung ist lachhaft", erklärte einer der Fahrer, die allesamt ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten. Ein Kollege ergänzte: "Jetzt denkt jeder, wenn ich einen Taxifahrer überfalle, bleibt das ohne Konsequenzen." Da habe er sich ein härteres Urteil erhofft, um ein abschreckendes Zeichen zu setzen. "Für Bitburg war das eine schwere Straftat." Der betroffene Taxifahrer selbst hat den Überfall nach eigenen Angaben gut weggesteckt. "Noch in derselben Nacht habe ich mich wieder hinters Steuer gesetzt und bin die Schicht zu Ende gefahren." Demgegenüber erklärte einer seiner älteren Kollegen, dass er seitdem keine Nachtfahrten mehr mache. "In der Dunkelheit habe ich jetzt ein mulmiges Gefühl."Extra

Bereits 2009 wurde ein 18-Jähriger in Bitburg wegen des Angriffs auf zwei Taxifahrer und schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hatte 2008 in zwei Fällen Taxifahrer in Bitburg mit einem Messer angegriffen, um Geld zu erbeuten. cmo

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