Blindgänger oder Schrott?

BITBURG. Spezialisten durchsuchen das Erdreich auf der Erweiterungsfläche des Gewerbegebiets "Auf Merlick" nach Blindgängern. Einige Male orten die Magnetsonden des Bergungsdienstes eisenhaltiges Metall - ob es sich dabei um Bomben oder Konservenbüchsen handelt, stellt sich erste diese Woche heraus.

 Bombensucher bei der Arbeit: Mit diesem Gerät aus Magnetfeldsensoren und GPS-Technik kontrolliert Norbert Gud , wo "Auf Merlick" eisenhaltiges Metall im Boden liegt.Foto: Dagmar Schommer

Bombensucher bei der Arbeit: Mit diesem Gerät aus Magnetfeldsensoren und GPS-Technik kontrolliert Norbert Gud , wo "Auf Merlick" eisenhaltiges Metall im Boden liegt.Foto: Dagmar Schommer

InSchrittgeschwindigkeit ruckelt der Jeep von Norbert Gude über einStoppelfeld von knapp 9000 Quadratmeter - ein knapp zweiFußballfelder großer Teil der neu zu erschließendenGewerbefläche. Das Gerät an der Kupplung des Jeeps ortet mitMagnetfeldsonden Eisen im Boden. Eisen, das könnte "Auf Merlick"ein Hinweis auf Bomben sein. Denn auf dem Areal war während desZweiten Weltkriegs eine Flugabwehrkanone (Flak) aufgestellt. Millimeter-Arbeit auf dem Stoppelfeld

Das geht aus der Auswertung von Luftbildern amerikanischer Aufklärungsflugzeuge hervor. Auch die am Rande der neuen Gewerbeflächen verlaufenden Eisenbahnschienen könnten ein Ziel alliierter Bomber gewesen sein. Kanalarbeiter, die an einer bereits angelegten Straßentrasse arbeiten, rufen nach Gude. Sie sind auf einen verrosteten Metalldeckel gestoßen. "Guck mal, ob da Gorbatschow draufsteht", scherzt einer der Baggerfahrer. Gude nimmt das Fundstück in Augenschein: "Das könnt ihr getrost wegwerfen. Nur Schrott."

Zentimeter für Zentimeter fährt Gude mit seinem Kollegen Ralf Specht vom Bremer Bergungsdienst Bitek das Areal ab. Auf dem Stoppelfeld kann der gelernte Feuerwerker dank der Reifenspuren erkennen, wo er bereits langgefahren ist. Ohne Fahrspuren müssen sich die Männer ganz auf die Grafik auf dem Bildschirm eines Laptop-Computers verlassen, die Beifahrer Specht ständig überwacht. Grün markierte Flächen zeigen bereits untersuchte Areale an, noch nicht kontrollierte Bereiche werden weiß dargestellt. Gude muss den Jeep genau so positionieren, dass er jeden Zipfel des Geländes erwischt: "Zeigt die Grafik später weiße Felder, müssen wir genau an der Stelle noch mal drüber fahren."

Der Laptop wird mit den Daten der Magnetfeldsonden gespeist und ist an das GPS (Global Positioning System) angeschlossen, das den genauen Aufenthaltsort des Jeeps berechnet - wie Satelliten gestützte Navigationssysteme in normalen Autos. Aus den Daten der Magnetfeldsonden und denen des GPS erstellt Gude eine Karte, auf der die Eisen-Fundstellen farblich markiert sind. Diese Karte prüft der Kampfmittelräumdienst und legt fest, an welchen Fundstellen gegraben wird. "Wir werden ein paar Punkte bergen müssen", schätzt Gude. Genauere Angaben sind erst nach der Auswertung möglich.

Zu der aufwändigen und kostspieligen Prozedur hat der Kampfmittelräumdienst der städtischen Bauverwaltung geraten. Auf sechs bis sieben Hektar der insgesamt rund 32 Hektar großen neuen Gewerbefläche fahndet der Bergungsdienst nach Bomben. Etwa 30 000 Euro, schätzt Berthold Steffes von der städtischen Bauverwaltung, wird die professionelle Blindgänger-Suche kosten. Drei Tage braucht der Bergungsdienst für die Erstellung der Fundstellen-Karte. In dieser Woche starten die Männer auf Anweisung des Kampfmittelräumdienstes mit den gezielten Ausgrabungen.

Bei Minen heißt es: Nichts wie weg!

Nicht immer verbergen sich unter den markierten Stellen Bomben. "Ich habe schon einen Zigarettenautomaten, Schlüssel, ein Mofa, Fahrräder und einen Tresor gefunden", berichtet Gude. Ein trauriger Anblick bot sich vor einigen Jahren seinem Kollegen Specht bei einer Räumung in der Nähe von Frankfurt/Oder: "Da haben wir die Leichen von sechs Soldaten, Uniformreste und Essgeschirr gefunden", erinnert er sich. Die Soldaten seien nicht mehr zu identifizieren gewesen.

Entdecken die Männer beispielsweise Bomben mit Langzeitzündern oder Landminen, muss sofort der Kampfmittelräumdienst die weitere Bergung übernehmen. "Dann heißt es für uns nur noch: Nichts wie weg", betont Gude. Denn solche Waffen könnten bei der kleinsten Bewegung explodieren. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen bleibt ein Risiko. Ein Kollege habe bei Bergungsarbeiten die Baggerschaufel auf den Boden abgelegt. "Der Boden ist abgesackt, die Schaufel hat eine Mine zum Explodieren gebracht", schildert der Bombensucher. "Der hatte Glück, dass er im Bagger hinter Panzerglas saß. Aber Glück gehört auch dazu."

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