Bohren und Dübeln auf dem Gottesacker

SÜLM. (mws) Vor allem seltene Sandsteinkreuze aus dem 19. Jahrhundert geben dem alten Friedhof in Sülm sein Gesicht. Nachdem viele der betagten Grabsteine wacklig geworden sind, will die Ortsgemeinde sie nun nicht abbauen, sondern befestigen und weiter pflegen.

 Stumme Zeugen: Viele der Sandsteinkreuze auf dem alten Friedhof in Sülm stammen aus dem 19. Jahrhundert.Foto: Manuel W. Schmitt

Stumme Zeugen: Viele der Sandsteinkreuze auf dem alten Friedhof in Sülm stammen aus dem 19. Jahrhundert.Foto: Manuel W. Schmitt

Ein eisiger Wind pfeift durch die hohen Lärchen an der Pfarrkirche St. Petrus in Sülm. Er schüttelt die Zypressen, die wie blaugrüne Kegel in die Höhe ragen. Eine dünne Schicht Schnee glitzert im Sonnenlicht. "Zum Andenken an unsere lieben Eltern" steht - in ein Oval gemeißelt - in großen Lettern auf einem der Sandsteinkreuze, die die abschüssige Wiese neben der Kirche zieren. Seit mehr als 100 Jahren trotzen sie hier, auf dem alten Sülmer Friedhof, Wind und Wetter, haben schon viele Winter kommen und gehen gesehen. Die "Ruhefrist"- wie es im Amtsdeutsch heißt - ist für diese Gräber längst ausgelaufen. Seit 1969 ist hier niemand mehr bestattet worden. Und die Jahrzehnte haben ihre Spuren hinterlassen: "Nur sieben der insgesamt 34 Grabsteine stehen noch fest", berichtet Rudolf Schaal, Pressesprecher der Verbandsgemeinde (VG) Bitburg-Land, "das hat eine Überprüfung durch einen unserer Mitarbeiter ergeben." Daher empfahl die VG der Gemeinde, die Kreuze "durch die Nutzungsberechtigten (die Angehörigen der Verstorbenen, Anmerkung der Redaktion) abbauen zu lassen". Gemeinderat hält an alten Steinen fest

Doch der Ortsgemeinderat entschied anders: "Wir wollen den alten Friedhof weiterhin erhalten", sagt Ortsbürgermeister Peter Faber. Die Bitburger Architektin Marie-Luise Niewodniczanska, die sich vor über 20 Jahren der Rettung des baukulturellen Erbes im ländlichen Raum verschrieb, weiß warum. Sie hat den alten Kirchhof untersucht. "Er ist einer der wenigen im Kreisgebiet, auf denen sich noch eine größere Zahl von hohen Grabkreuzen des späten 19. Jahrhunderts erhalten hat", berichtet Niewodniczanska: "Leider hat man diese nicht in allen Dörfern bei Aufgabe des alten Friedhofs beibehalten. In Sülm wurden dagegen die Grabsteine gepflegt, das Umfeld als Wiese eingesät und regelmäßig gemäht" (siehe Interview weiter unten). Nun wollen die Sülmer noch mehr tun: "Wir werden die losen Steine selbst befestigen", berichtet Peter Faber. Wer die Arbeiten ausführen werde, sei jedoch noch nicht entschieden. Kann ein Laie die Grabsteine wieder standsicher machen? Michael Keilen von der Abteilung Bauen und Umwelt der VG-Verwaltung sagt: "Im Prinzip schon - wenn das nach den Richtlinien des Stein- und Holzbildhauerhandwerks geschieht." Dübel oder Stäbe, die in den Stein gebohrt würden, kämen für das Befestigen in Frage, erklärt Keilen. Mit Zement oder speziellen Silikonen könnten die Sülmer die alten Steine ebenfalls stabilisieren. Bevor dass passiert, wird Peter Faber aber erst einmal einen Stapel Briefe an die "Nutzungsberechtigten" verschicken: "Ich muss alle anschreiben, falls doch jemand ‚seinen‘ Grabstein lieber abbauen will." Denn auch wenn ehrenamtliche Helfer an den Steinen arbeiten, entstehen Materialkosten. Den Nachkommen des "großen Sohns" von Sülm wird indes keine Post vom Bürgermeister ins Haus flattern: Heimatdichter und Komponist Bernhard Lemling (1904 bis 1961) ist zwar auch unter den hohen Lärchen beerdigt. "Sein Grab wurde aber inzwischen auf den neuen Friedhof versetzt", sagt Peter Faber. 95 Grabstellen finden sich dort- neuzeitlich in Reih' und Glied angeordnet. Doch die alte Bestattungskultur behielten die Sülmer auch beim Anlegen dieses Gottesackers im Auge: In die Kalksteinmauer, die den Friedhof umgibt, haben sie zahlreiche Grabkreuze aus dem 17. Jahrhundert eingelassen.

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