Bombenteppiche ließen in Bitburg die Erde beben

Klar und sehr, sehr kalt war dieser Wintertag, der 24. Dezember 1944. Die letzten bescheidenen Vorbereitungen für das Weihnachtsfest wurden getroffen. Meine Mutter hatte den Mittagstisch schon gedeckt, da ertönten die Sirenen - Fliegeralarm. Fluchtartig verließen meine Eltern und ich unser Haus in der heutigen Hauptstraße und rannten zum Luftschutzkeller im Hotel Eifelbräu. Das Gebäude gehörte früher zu einer Brauerei und hatte zwei übereinander liegende gewölbte Keller, die als Luftschutzkeller ausgewiesen waren. Der obere Keller war dem Hotelinhaber, seiner Familie, Gästen und Freunden vorbehalten. Der zweite, untere Keller war für die breite Öffentlichkeit bestimmt und durch eine Treppe von außen erreichbar. An diesem Tag befanden sich etwa 500 Menschen im Keller - überwiegend Frauen und Kinder. Als die ersten Bombenteppiche in Bitburg explodierten, bebte die Erde, vom Deckengewölbe fielen Mörtelteile herunter, Kinder und Frauen fingen an zu schreien und wurden vom Aufsichtspersonal beruhigt. Als der Höllenlärm etwas nachgelassen hatte, trauten sich die ersten Männer nach draußen, um zu erkunden, was geschehen war.Unser Vater warf sich schützend über uns

Trierer Straße, Hauptstraße, Borenweg und Karenweg - dort stand fast kein Haus mehr. Viele Bewohner waren tot oder verschüttet. Aus dem Luftschutzkeller traute sich sonst niemand heraus. Nördlich der Liebfrauenkirche waren zu unserem Glück keine Bomben gefallen. Wir fanden unser Haus unversehrt, es sollte aber einem späteren Bombenangriff zum Opfer fallen.Meine Eltern beschlossen, Bitburg zu verlassen, und packten einige Sachen zusammen - soviel wir auf unserem Fahrrad transportieren konnten. Unser Vieh mussten wir in Bitburg zurücklassen. Es wurde während unserer Abwesenheit von einem französischen Fremdarbeiter betreut. Als wir zu Fuß, unser Fahrrad schiebend, in Richtung Dudeldorf unterwegs waren, passierten wir die Albachstrasse. Ich schaute zurück nach Bitburg - rechts und links vom Krankenhaus war alles am brennen. Gegen 20 Uhr verließen wir Bitburg und kamen um etwa 22 Uhr in Dudeldorf bei Verwandten an, die am Weihnachtsbaum saßen. Sie hatten das Inferno über Bitburg von Dudeldorf aus beobachtet. Wir blieben über Nacht in Dudeldorf und zogen am ersten Weihnachtstag weiter nach Spangdahlem. Um etwa 11 Uhr hatten wir Dudeldorf verlassen und kamen aufs freie Feld. Hier wurden wir von alliierten Jagdbombern (Jabos) angegriffen. Unsere einzige Deckung war ein großer Heuhaufen, hinter dem wir Zuflucht suchten und um den wir herumliefen, je nachdem, aus welcher Richtung die Jabos anflogen. Es dauerte einige Zeit, bis die Jabos ihre Jagd aufgaben und wir weiter nach Spangdahlem zu unserer Verwandtschaft ziehen konnten. In Spangdahlem übernachteten wir und machten uns am zweiten Weihnachtstag morgens auf den Weg zur Hasborner Mühle. Unser Weg führte überwiegend durch Wälder, in denen riesige Mengen Munition aller möglichen Kaliber gelagert wurden. Vor Großlittgen verließen wir den Wald und benutzten die Landstraße, die beidseitig mit großen Bäumen umsäumt war, die uns guten Schutz boten.Eine Frau mit zehn Kindern starb bei einem Angriff

Am Himmel wimmelte es von alliierten Flugzeugen. Die ersten Häuser von Großlittgen kamen in Sichtweite, als ich den Fliegern zusah, wie sie vorüberflogen. Plötzlich gab eines der Flugzeuge ein Angriffssignal. Wir ließen unser Fahrrad am nächsten Baum stehen und rannten zu den Schützengräben, die an jeder Straßenseite ausgehoben waren. Der Flugzeuglärm wurde immer stärker. Als wir gerade alle Deckung gefunden hatten, explodierte auf der gegenüberliegenden Straßenseite die erste Bombe. Mein Vater warf sich schützend über uns. Er wurde von Steinbrocken getroffen und am Rücken und an den Händen glücklicherweise nur leicht verletzt. Am Grabenrand lag ein dicker Stein - wäre er auf uns gefallen, wir wären wohl alle tot gewesen. Als die Fliegerschwärme abgezogen waren, gingen wir wieder unserer Wege und kamen durch Großlittgen. Auch dieser Ort war von den Bomben nicht verschont worden. Man erzählte uns, dass eine Frau mit zehn Kindern ums Leben gekommen war. Zwischen 23 und 24 Uhr erreichten wir unser Ziel, die Hasborner Mühle, wo wir bei einer Verwandten Unterschlupf fanden. Unterwegs konnten wir noch den Abschuss mehrerer Raketen und V1 miterleben. So waren wir dem Bombenterror der Alliierten in Bitburg entkommen und auf der Flucht beinahe umgekommen. Das war ein Weihnachtsfest, das ich nie vergessen werde. SKlaus Laub aus Bitburg ist heute 68 Jahre alt. Er wohnt in Bitburg, in der er mit acht das Kriegsjahr 1944 erlebte.

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