„Brandschutz frisst Budgets auf“: Bitburger Stadtratsmitglied startet Petition gegen „unsinnige Auflagen“ bei öffentlichen Bauten

Bitburg/Berlin/Mainz · Egal ob Rathaus, Turnhalle oder Kreisverwaltung: Der vorbeugende Brandschutz verschlingt bei Baumaßnahmen immer größere Summen. Jürgen Weiler, Mitglied des Bitburger Stadtrats (CDU), will sich gegen die nach seiner Meinung zum Großteil „unsinnige Brandschutzverordnung“ des Gesetzgebers wehren und hat eine Petition gestartet.

Jürgen Weiler ist ein Mann vom Fach: Der 59-jährige Bauingenieur mit eigener Baufirma in Bitburg kennt sich am Bau aus und ebenso in der Kommunalpolitik. Als Mitglied des Bitburger Stadtrates (CDU) und des Bauausschusses bringt ihn immer wieder ein ganz bestimmtes Thema auf die Palme: der vorbeugende Brandschutz. "Mir ist nicht bekannt, dass es hier in Bitburg mal in einem öffentlichen Gebäude - außer dem Krankenhaus - gebrannt hat. Deshalb sind die vorbeugenden Brandschutzauflagen, welche die Behörden einfordern, nicht zu rechtfertigen." Mittlerweile nehme der vorbeugende Brandschutz bis zu 40 Prozent des Budgets sämtlicher öffentlicher Baumaßnahmen ein, sagt Weiler, und fresse die Budgets der klammen Kommunen bei allen Bauvorhaben regelrecht auf.

Beispiele: Nach populären Beispielen dafür, muss man nicht lange suchen: So darf es wegen mangelnder Brandschutzvorrichtungen beispielsweise auf Schloss Malberg keine Konzerte mehr geben, was eine Nutzung und Verwertung des schönen, aber für die Gemeinde als Eigentümer sehr teuren Gebäudes noch schwieriger macht.
Bei der Sanierung der Kreisverwaltung, die 2017 beginnen soll, macht der vorbeugende Brandschutz mit 969 000 Euro knapp 20 Prozent der Kosten aus. Insbesondere die geplanten Brandschutzmaßnahmen im Bitburger Rathaus sorgen für Diskussionen. Für 28 Ratsmitglieder soll eine rückwärtige Nottreppe nachgerüstet werden, die aus dem drei Meter hohen Sitzungssal über eine enge Teeküche nach draußen führt. Kosten für diese Treppe: 50 000 Euro. Insgesamt schlagen Brandschutzmaßnahmen im Rathaus bis 2017 mit 400 000 Euro zu Buche. Denn noch viele weitere Nachrüstungen wie Brandschutztüren sind geplant.

Forderung: Weiler hält eine Brandschutztreppe für den drei Meter hohen Sitzungssaal hingegen für rausgeworfenes Geld. "Da reicht doch auch das Fenster als Notausstieg." Eine Meinung mit der Weiler im Stadtrat nicht alleine dasteht. Auch FDP-Ratsmitglied Marie-Luise Niewodniczanska (77) sagte jüngst bei einer Ratssitzung, dass man bei einem Feuer doch einfach aus einem der Fenster springen könne. Außerdem habe es dort in 40 Jahren noch nie gebrannt, meint Weiler: "Wir müssen den Brandschutz auf der Grundlage der Vorfälle kalkulieren, die es in den entsprechenden Gebäuden bislang gab", fordert Weiler. "Jedwedes Risiko kann man nie ausschließen." Es gelte die richtige Balance zu finden zwischen einem angemessenen Sicherheitsbedürfnis und Unfug, meint Weiler. "Wir müssen den Brandschutz darauf beschränken, wo er wirklich einen Nutzen bringt."

Petition: Um seiner Forderung Kraft zu verleihen, hat er sämtliche Bundes- und Landtagsabgeordneten sowie Ortsbürgermeister im ehemaligen Regierungsbezirk Trier angeschrieben, um sie für die Problematik zu sensibilisieren. Natürlich ist er dabei auch auf der Suche nach Mitstreitern für seine Initiative. Weiler: "Ich alleine kann nichts bewirken." Schützenhilfe bekommt der CDU-Mann auch von der SPD-Ratsfraktion, welche die Petition unterstützt. Weiler: "Alle in den letzten Jahren getroffenen Brandschutzbestimmungen sollen nochmals auf den Prüfstand gestellt werden."
Er fordert vor allem den Deutschen Gemeinde- und Städtebund mit Sitz in Berlin auf, sich für seine Forderungen stark zu machen.

Gemeinde und Städtebund: Obwohl Weiler mit seiner Kritik an der bestehenden Brandschutzverordnung bei vielen Ortsbürgermeistern offene Türen einrennt, findet er damit beim Gemeinde- und Städtebund in Mainz nicht ganz die erhoffte Unterstützung. Ralf Bitterwolf-de Boer, Referent für Brandschutz, sagt, es werde immer wieder mal kritisiert, dass gewisse Standards zu hoch und Kostentreiber seien. "Aber was ist, wenn es brennt und ich habe meine Hand dafür gehoben, dass die vorbeugende Maßnahme, die den Brand hätte verhindern können, nicht durchgeführt wurde?", fragt der ausgebildete Rechtsanwalt.

Wenn etwas passiere, sei die erste Frage immer, wer das zu verantworten habe. Bitterwolf-de Boer: "Die Leute rennen mit brennenden Haaren aus dem Gebäude und fragen sich dabei schon: ‚Wen kann ich dafür in Haftung nehmen?'" Weiler hält das allerdings für ein "Totschlagargument". Nicht zuletzt, sagt Bitterwolf-de Boer, seien die hohen Brandschutzauflagen auch eine versicherungstechnische Angelegenheit. "Deshalb sehe ich beim Brandschutz keine Möglichkeiten, von hohen Baukosten runterzukommen." Die Petition soll dennoch auf die Tagesordnung des Gemeinde- und Städtebundes in Mainz und auch Berlin kommen, wie Weiler mitgeteilt wurde.
Meinung

Ein heißes Thema

Angesichts der leeren Kassen der meisten Kommunen ist der vorbeugende Brandschutz ein heißes Thema. Klar ist, dass Stadt- und Gemeinderäte mehr Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung des Brandschutzes fordern und brauchen. Warum traut der Gesetzgeber den lokalen Gremien, von denen auch zu allen anderen Angelegenheiten verantwortungsvolle Beschlüsse erwartet werden, eigentlich nicht zu, demokratische Entscheidungen zum Brandschutz zu treffen? Die Lokalpolitiker sind ja auch keine Experten wenn es um Themen wie Kindergärten, Schulen, Barrierefreiheit oder Flüchtlinge geht. Trotzdem müssen sie dazu täglich ihre Beschlüsse fassen. Beim Brandschutz bekommen sie hingegen mehr oder weniger diktiert, was zu tun ist. Das passt nicht ganz zusammen.
c.moeris@volksfreund.de

Extra Leserkommentare zu Schloss Malberg
So schön der Festsaal auf Schloss Malberg auch ist, er erfüllt nicht die Vorgaben des Brandschutzes. Deshalb sind dort derzeit keine Veranstaltungen mehr erlaubt. Seitens der Verbandsgemeinde Bitburger Land, der das Schloss gehört, wird nun geprüft, ob sich eine Feuertreppe einbauen lässt. Auf der Facebookseite der Lokalredaktion Bitburg im Internet posteten viele TV-Leser dazu ihre Meinung: Conny Krutze schreibt: "Oh man. Da kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Dem, der das bestimmt hat, sind wohl Kultur und Kulturgüter egal. Sesselpupserei!" Stefan Strupp meint: "Wie konnte das Schloss so alt werden? Bei uns in Deutschland wird jede Verordnung akzeptiert. Kein Hinterfragen. Ist eben so. Verantwortung wird auf Vorschriften abgeschoben." Der TV-Leser Rainer Massa schreibt: "Deshalb wird die Burg Manderscheid auch verkauft. Die haben im Mittelalter schön geschludert beim Brandschutz,und erst bei den Fluchtwegen: unverantwortlich diese Ritter. Wir müssen sämtliche alten Kulturgüter in der Eifel für die Öffentlichkeit schließen - ist ja lebensgefährlich!" cmo

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