"Damals lagen die Nerven blank"

Als die Amerikaner 1994 den Nato-Stützpunkt Flugplatz Bitburg zurück an die Bundesrepublik gaben, standen Stadt, Kreis und Land vor einer Herausforderung. Galt es doch eine Fläche von knapp 500 Hektar umzunutzen. "Damals lagen die Nerven blank", sagt Landrat Roger Graef. Doch die Konversion der riesigen Fläche zum Gewerbe-, Dienstleistungs- und Freizeitzentrum wurde eine Erfolgs-Geschichte mit Beispiel-Charakter. Das Bitburger Modell macht Schule.

 Flugplatz Bitburg: Rund 200 der knapp 500 Hektar Konversions-Gelände zählen zum flugbetrieblichen Teil – mit Tower, Landebahn, Rollbahn, Vorfeldern und mehr. TV-Foto: Archiv/Rudolf Höser

Flugplatz Bitburg: Rund 200 der knapp 500 Hektar Konversions-Gelände zählen zum flugbetrieblichen Teil – mit Tower, Landebahn, Rollbahn, Vorfeldern und mehr. TV-Foto: Archiv/Rudolf Höser

Bitburg. "Die Leute dachten, in Bitburg gingen die Lichter aus", erinnert sich Landrat Roger Graef an die Stunde null, 1994, als die Amerikaner den Flugplatz Bitburg nach 42 Jahren räumten. "Wir waren wie versteinert. Doch dann stellte sich heraus: Es war wie ein Deckel, der von einem Topf mit brodelndem Wasser genommen wurde", sagt Graef, der sich an vorderster Front für die Konversion des riesigen Geländes starkgemacht hat. Heute siedeln mehr als 160 Unternehmen auf dem Areal - von Maschinenbauern über Abfallwirtschafter und Bauunternehmen bis hin zu den vielen Handwerks-Betrieben und Dienstleistern. Die meisten der knapp 500 Gebäude (darunter rund 100 Bunker und rund 80 Shelter) wurden erhalten. Rund 1500 Arbeitnehmer sind in Betrieben auf dem Flugplatz beschäftigt. Beachtlich auch die Entwicklung im Touristik- und Freizeit-Bereich: Drei Hotels - "Eifelstern", Jugend- und das Sporthotel - zählen zusammen mehr als 1500 Betten. Konversions-Prozess noch nicht abgeschlossen

Hinter dieser Erfolgs-Geschichte des größten Konversions-Projekts im Eifelkreis stehen zermürbende Verhandlungen, in denen vor allem einer nicht lockerließ: Landrat Graef. "Auf der einen Seite wurden wir vom Land gerieben, auf der anderen vom Bund. So haben wir viel Hornhaut entwickelt", schildert Graef den Prozess, bis der städtebauliche Vertrag zwischen Bund, Land und dem eigens gegründeten kommunalen Zweckverband stand, der später als "Bitburger Modell" Schule machte. Darin werden die Erschließungskosten aufgeteilt und ein kooperatives Vorgehen aller am Konversions-Prozess Beteiligten gesichert - der Bundesrepublik, dem kommunalen Zweckverband und dem Land als Beratungs- und Förderinstanz. Demnach zahlt der Bund 50 Prozent, das Land 45 Prozent und der Zweckverband fünf Prozent der Erschließungskosten. Landrat Graef: "Das war das erste Mal, dass der Bund so vorging."In die Erschließung der ersten 170 Hektar Gewerbefläche wurden rund 20 Millionen Euro investiert. 160 Hektar der Fläche sind vermarktet. In einem zweiten städtebaulichen Vertrag wurde 2004 die Erschließung weiterer 57 Hektar beschlossen. Diesmal nach dem Schlüssel: Bund (50 Prozent), Land (40 Prozent) und zehn Prozent der Kosten für den Zweckverband. In die Erschließung dieses zweiten Abschnitts werden in den nächsten vier Jahren knapp zehn Millionen Euro investiert. Die Abrissarbeiten für rund 30 alte Gebäude sind derzeit im Gange. Der Konversions-Prozess ist also noch lange nicht abgeschlossen: Neben der Vermarktung neuer Flächen geht es auch darum, die vermarkteten Bereiche weiter zu verdichten und den Flugplatz zu einem Industrie-Flughafen auszubauen. Was Landrat Roger Graef nach Jahren des zähen Ringens und Kämpfens am meisten fasziniert: "Eines Tages ist der Flugplatz ein Teil der Stadt - und das ging viel schneller, als erwartet."Meinung Hartnäckigkeit zahlt sich aus Die Hartnäckigkeit, mit der Politiker vor Ort sich dafür eingesetzt haben, das Flugplatz-Areal selbst zu vermarkten, statt die Umnutzung der Bundesrepublik zu überlassen, verdient Respekt. Von diesem Verantwortungs-Bewusstsein lebt das Bitburger Modell, ohne diesen Gestaltungs-Willen wäre es nie zustande gekommen - und ohne die sinnvolle Einbettung der Flugplatz-Konversion in die gesamtstädtische Entwicklung wäre es nie so erfolgreich geworden. Ob sich die Hartnäckigkeit auch beim Traum vom Fliegen auszahlt, steht in den Sternen. Das Endlos-Warten auf die Instrumentenflug-Genehmigung droht zur Farce zu verkommen, noch bevor eine Akquise flugaffiner Firmen überhaupt hätte beginnen können. d.schommer@volksfreund.de

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