Dann schlug er seine Mutter

BITBURG/PRÜM/GEROLSTEIN. Ein geistig behinderter 34-Jähriger aus einem Dorf bei Bitburg hat bei einem Gewaltausbruch mehrere Menschen verletzt. Seit Dezember ist er deshalb in der geschlossenen Psychiatrie in Gerolstein. Seine Familie kritisiert nun Wohnheimpersonal und die amtlich bestellte Betreuerin.

 Warten auf einen Heimplatz: Seit rund sechs Monaten ist die Psychiatrie in Gerolstein das Zuhause für den 34-Jährigen aus der Nähe von Bitburg. Foto: Gabi Vogelsberg

Warten auf einen Heimplatz: Seit rund sechs Monaten ist die Psychiatrie in Gerolstein das Zuhause für den 34-Jährigen aus der Nähe von Bitburg. Foto: Gabi Vogelsberg

"Mein Junge ist doch kein Verbrecher. Er hat fast 34 Jahre hier zu Hause gelebt, ist durch das Dorf gegangen und hat niemanden belästigt", sagt die Mutter. Von der Zeit vor dem Gewaltausbruch ihres geistig behinderten Sohnes erzählt sie: "Er hat immer die Freiheit geliebt und die hab ich ihm gelassen. Ich hab ihm immer mehr den Gefallen getan als den drei Mädchen, denn Behinderte muss man so nehmen, wie sie sind." Die Polizei brachte ihn in die Psychiatrie

Der 75-jährigen Mutter wuchs die Belastung aber irgendwann über den Kopf. Seit fünf Jahren pflegt sie ihren schwer kranken Ehemann. "Deshalb hatten wir schon im Sommer klar gemacht, dass er ins Wohnheim sollte. Allerdings war vor September kein Platz frei", sagt ein Schwager des Behinderten, der in unmittelbarer Nachbarschaft lebt. Anfang Juli eskalierte die Situation. Der geistig Behinderte prügelte auf seine Mutter ein, zog sie an den Haaren, warf sie auf den Boden und trat sie. Polizei und Rettungsdienst kamen und brachten ihn in die Psychiatrie. Nach einer Behandlung wechselte er dann im September ins Wohnheim der Lebenshilfe am Prümer Stadtwald. Alfred Pick, Geschäftsführer der Lebenshilfe-Wohneinrichtungen: "Es war die aufwändigste und teuerste Aufnahme, die wir in unserer 16-jährigen Geschichte hatten. Wir haben seinetwegen den Personalschlüssel erhöht und alle Betreuer haben vorab ein spezielles Deeskalationstraining absolviert." Nach intensiven Vorgesprächen hätte man den Versuch gewagt, der "leider gescheitert" sei. Daraufhin wurde der Heimplatz gekündigt. Die Familie des 34-jährigen geistig Behinderten ist mit der Kündigung nicht einverstanden. Der Schwager sagt: "Das Heim hätte einen anderen Platz besorgen müssen anstatt zu kündigen. Bei jedem kleinen Problem wurde er wieder in die Psychiatrie abgeschoben. Sechs Mal in knapp drei Monaten." Das Heim meldete den 34-Jährigen angeblich zum 31. Dezember beim Einwohnermeldeamt ab und verlangte, das Zimmer bis zum 3. Januar zu räumen. Die Familie hat die Heimaufsicht in Trier und die Fachaufsicht beim Landesamt in Mainz eingeschaltet. Peter Ehses vom Landesamt: "Bei der Kündigung bleiben viele Fragezeichen. Das werden wir klären. Auf jeden Fall suchen wir intensiv nach einer Lösung, die wir bisher noch für jeden Problemfall gefunden haben." Nach Hause kommen kann der 34-Jährige aber wohl nicht mehr. Der behandelnde Psychiater, Dr. Stefan Thielscher, sagt: "Er ist therapier- und sozialisierbar. Allerdings ist keine zeitliche Prognose möglich, da der Verlauf der fortschreitenden Hirnschädigung nicht kalkulierbar und die schwere Verhaltensstörung nicht aufzuheben ist." Monika Hockova, seit Juli 2004 gesetzliche Betreuerin des 34-Jährigen, sucht derweil händeringend nach einem geeigneten Heimplatz: "Im Januar war er zwei Tage zum Probewohnen, was aber auch nicht geklappt hat. Bei weiteren 20 Einrichtungen steht er auf der Warteliste." Die Familie wird ungeduldig. "Wir müssen uns selber kümmern, sonst passiert nix. Der Junge muss in der Region bleiben, damit er wieder in die Werkstatt gehen kann, wo er ja schon 13 Jahre ohne Probleme gearbeitet hat", sagt der Schwager, der die gesetzliche Betreuung übernehmen will. Hermann Dahm, Prokurist bei den Westeifel-Werken (WEW), bestätigt, den Mann wieder in die Werkstatt aufzunehmen. "Es gab bisher keinen Grund, ihn auszugliedern. Allerdings hat es eine schwierige Eingewöhnungsphase gegeben", sagt Dahm. Der Sozialpädagoge glaubt, dass es manchmal sinnvoller wäre, "früher mit therapeutischen Maßnahmen zu beginnen, um den Loslösungsprozess von zu Hause zu schaffen." Alle hätten sich Mühe gegeben, deshalb sei es schade, wie sich der Fall entwickelt habe.

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