"Das Buch ist mein Sport"

SCHÖNECKEN. Wen heiratete Ihr Urururgroßvater 1830? Wie viele Kinder hatte er und wann starb er? Wissen Sie es? Wenn Ihr Vorfahre in Schönecken gelebt hat, haben Sie Glück. Margareta Zirbes kann diese Fragen beantworten. Sie pflegt ein altes Familienbuch, das sämtliche Geburts-, Heirats- und Sterbedaten aller Einwohner der Pfarrei seit 1798 enthält.

 Alles, was man wissen muss: der Inhalt des alten Kirchenbuchs in Schönecken. Es enthält die Daten aller Einwohner seit 1798. Foto: Gernot Ludwig

Alles, was man wissen muss: der Inhalt des alten Kirchenbuchs in Schönecken. Es enthält die Daten aller Einwohner seit 1798. Foto: Gernot Ludwig

Das Buch wiegt stolze sechs Kilogramm, ist 47 Zentimeter hoch und aufgeschlagen über einen halben Meter breit. Der erste Eintrag wurde 1862 angelegt, der jüngste erst vor wenigen Wochen. "Wenn ich erfahre, dass jemand gestorben ist, oder ein Kind geboren wurde, trag ich das sofort ein", sagt Margareta Zirbes. Aber weil bei diesem System die Gefahr groß ist, dass ihr Termine durchgehen, gibt es eine Sicherung. "Am Ende jedes Jahres hole ich mir alle Toten-, Heirats- und Trauerbücher und trage fehlende Daten nach. Wenn ich etwas nicht finde, rufe ich beim Standesamt an." So ist sichergestellt, dass später nichts fehlt. Angelegt wurde das Buch 1862 vom damaligen Pastor Müller, der bis ins Jahr 1798 Daten nachträglich eingetragen hat. Bis 1947 führten es die jeweiligen Pastöre. Seitdem kümmern sich Freiwillige um die Einträge. Zu Beginn der 60er Jahre wurde Margareta Zirbes von der damaligen Kirchenrechnerin Merziger gefragt, ob sie bei der Pflege des Buches helfen könne. Zirbes arbeitete damals auf dem Schönecker Standesamt und war damit eine Frau vom Fach, was die Daten betraf. "Zusammen mit Frau Merziger hab ich einmal pro Jahr alles eingetragen." Als ihre Vorgängerin 1994 im Alter von 97 Jahren starb, übernahm Zirbes den Job komplett. "Ich mache das sehr gerne. Das ist ein schönes Gefühl, für eine so besondere Sache verantwortlich zu sein. Das Buch ist mein Sport." Und wenn man weiß, dass Margareta Zirbes über 80 Jahre alt ist, versteht man, was sie damit meint. Das Buch enthält zum Beispiel auch die Geschichte ihrer eigenen Familie. Ihr erster Vorfahre in Schönecken, Peter Zirbes, hatte 1770 eine Eleonore Gores geheiratet. Es ist genau festgehalten, wie viele Kinder aus dieser Ehe hervorgingen, und wen sie an welchem Datum geheiratet haben. Kamen die Partner aus einem anderen Dorf, ist das teilweise ebenfalls vermerkt. So ist das Verzeichnis eine wahre Goldgrube für jeden Ahnenforscher, der für seine Familie einen Stammbaum anlegen will. Immer wieder kommen Interessierte zu Margareta Zirbes. "Einmal war eine ganze Familie aus England hier und wollte alles über ihre Vorfahren wissen. Wir haben uns mit Händen und Füßen unterhalten." Geld kassiert sie für diese wertvolle Auskunft nicht: "Wenn ich was bekomme, gebe ich es im Pfarrhaus ab." Beim Studieren der Einträge erhält man einen tiefen Einblick in die Verhältnisse in früheren Zeiten. So liest man beispielsweise immer wieder von Männern, die mehrmals verheiratet waren. Wenig Hilfe im Trierer Bistumsarchiv

Sie haben sich nicht etwa scheiden lassen, sondern waren immer wieder verwitwet. Ihre Frauen starben häufig nach Geburten noch im Wochenbett. Wenn niedergeschrieben wurde, woher jemand kam oder wohin er wegzog, lässt sich auch rekonstruieren, wo die Vorfahren gelebt haben. In Zweifelsfällen bekommt man einen Hinweis und geht diesem im Kirchenbuch eines anderen Dorfes nach. Das geht aber nur, wenn es ein solches Verzeichnis dort überhaupt noch gibt. Die meisten Pfarreien haben all ihre Bücher ins Bistumsarchiv nach Trier gegeben. Dort werden sie zwar ordnungsgemäß aufbewahrt, aber Hilfe beim Stöbern der Akten bekommt man mangels Personal kaum. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit von Margareta Zirbes gar nicht hoch genug einzuschätzen. Und es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen rechtzeitig einen Nachfolger für die rüstige Dame bestimmen, damit die 1862 begonnene Arbeit in Schönecken fortgesetzt werden kann.

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