Das Kind in der Tonne fährt sicherer
BITBURG. Werden beim Mülltransport strengere Maßstäbe angelegt als beim Transport von Kindern? Dies jedenfalls glaubt der Verband der Busunternehmer.
"Wenn wir möchten, dass unsere Kinder ordentlich in die Schule gefahren werden, müssen wir sie in Zukunft in Mülltonnen setzen." Diesen drastischen Vergleich eines Elternteils zitiert Hans-Wilfried Richter, Geschäftsführer des Verbands des Verkehrsgewerbes Rheinland (VDV), angesichts der Vergabe-Realität beim Transport von Kindern und Müll im Kreis Bitburg-Prüm. Richter bezeichnet deshalb das Gebaren des Kreises Bitburg-Prüm als skandalös. Grund: "Man stellt fest, die Lobbyarbeit seitens der RWE-Entsorgungsbetriebe zahlt sich aus und stellt die Qualitätsanforderungen beim Transport Menschen/Müll auf den Kopf", sagt Richter.Busunternehmer verwundert
Der in Koblenz residierende Verband sei von Busunternehmern aus dem Kreis Bitburg-Prüm, die sich laut Richter selbst aufgrund der Furcht vor Problemen mit der Verwaltung nicht äußern wollen, auf die Berichte imTV angesprochen worden. Die Unternehmer hätten sich über das Vorgehen des Kreistags bei der Vergabe der Restmüllabfuhr mehr als gewundert. Dabei war nach langem Hin und Her nicht der billigste Bieter zum Zuge gekommen. Zuvor hatte es Gutachten, Gegengutachten und Zweifel an der Auskömmlichkeit des billigsten Gebots gegeben. Dies führte schließlich dazu, dass der zweitgünstigste, rund 500 000 Euro jährlich teurere Anbieter, ab Mitte 2005 den Müll abfährt (derTV berichtete). Bei der Beförderung von Kindergartenkindern und Schülern nicht nur im Kreis Bitburg-Prüm sieht laut Geschäftsführer Richter die Sache ganz anders aus. Dabei würden "keine Referenzen oder Kalkulationen verlangt. Dumpingpreise werden ohne Nachfrage akzeptiert", sagt Richter, der erklärt, dass in den vergangenen 20 Jahren stets die Aufträge an die mindestbietenden Unternehmen vergeben wurden. "Eine Auskömmlichkeit wurde - trotz Bedenken der Sachbearbeiter - nie überprüft", sagt Richter. Dieser Auffassung wider-spricht die Kreisverwaltung Bitburg-Prüm teilweise. So weit Schülerbeföderungsmaßnahmen oder Fahrten zu Kindergärten neu ausgeschrieben worden seien, "erfolgte die Auftragsvergabe in den meisten Fällen an denjenigen Bieter, der das preisgünstigste Angebot eingereicht hat", teilt Kreis-Pressesprecher Rudolf Müller mit. In wenigen Ausnahmefällen sei der Auftrag "aufgrund örtlicher Verhältnisse oder "aus anderen zwingenden Sachgründen" nicht an den preisgünstigsten Bieter gegangen. Dass bisher nie ein Gutachten über die Auskömmlichkeit eines Gebots zur Beförderung von Schul- oder Kindergartenkindern eingeholt worden sei, habe mehrere Gründe: Aufgrund der vielen Verträge mit Busunternehmern und der sehr genauen Kenntnis der zu erbringenden Leistungen sei es der Kreisverwaltung möglich gewesen, "die aufgetretenen Fragen selbst zu klären, ohne Gutachter bemühen zu müssen", teilt Müller mit. Im Einzelfall seien Angebote hinterfragt worden. Von den Bietern habe es aber "zufriedenstellende Antworten gegeben"."Vergabe nach dem Motto ,Billig, Billig, Billig‘"
Diese Antworten befriedigen Hans-Wilfried Richter nicht. Der Geschäftsführer des VDV Rheinland, in dem Bus- und Transportunternehmer organisiert sind, hat anhand einer Tabelle ausgearbeitet, wo die Unterschiede zwischen Kinder- und Mülltransport liegen. Angesichts des nach Richters Meinung krassen Missverhältnisses zwischen den beiden Transportarten kommt er zum Schluss, dass Standards und Vergabekriterien im Bereich Schülerbeförderung nach der Maßgabe "Billig, billig, billig" vonstatten gingen. Richters Fazit lautet, dass bei den Ausschreibungen für Schülerbeförderung "keinerlei Kenntnisse, Nachweise, Mindeststandards oder Qualitätskriterien" verlangt werden. Darunter litten Qualität und Sicherheit. Deshalb kann Richter auch nachvollziehen, dass Eltern ihre Kinder lieber in eine Mülltonne denn in einen Schulbus setzen wollten. Schließlich komme zu den Mülltonnen wahrscheinlich ein gut bezahlter und motivierter Fahrer mit einem modernen Müllwagen. Zur gleichen Zeit stehe womöglich "an der Haltestelle ein 25 Jahre alter, klappriger Bus mit einem Rentner als Fahrer und lädt 50 Kindergartenkinder ein".