"Das war Mord, kein Unfall!"

Nach dem Verpuffungs-Unglück auf dem ehemaligen Munitionsdepot im Sommer 2006, bei dem zwei junge Männer starben, sucht der Vater eines Opfers nach Antworten. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen den verantwortlichen Betriebsleiter der Rüstungsfirma Ordtech.

Bitburg. 5. Juli 2006. Dieses Datum wird Hussein Jamal niemals vergessen. An jenem Tag erhielt er die schockierende Nachricht: Sein 24-jähriger Sohn Adnan war bei einer Magnesiumverpuffung auf dem früheren amerikanischen Munitionsdepot in Bitburg-Mötsch so schwer verbrannt worden, dass er nach Koblenz ins Krankenhaus geflogen werden musste. Vier Tage später war er tot. Zwei Wochen später starb auch Adnans Freund, mit dem er an diesem Tag zusammengearbeitet hatte. "Ich weiß, dass ich die Zeit nicht zurückdrehen kann, aber ich will Gerechtigkeit für meinen Sohn", sagt der Libanese, der vor 25 Jahren mit seiner Familie vor dem Krieg in seiner Heimat geflohen war. Zurzeit lebt er in Rockeskyll (Landkreis Vulkaneifel). Jamal ist fest davon überzeugt, dass es sich damals nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Daher versucht er seit dem Tod seines Sohns gemeinsam mit seinem Anwalt gegen den Betriebsleiter der Firma Ordtech, die im Bitburger Wald unter anderem Flugzeug-Schutzsysteme gegen radargelenkte Raketen herstellen wollte, vorzugehen.Staatsanwaltschaft Trier hat ausführlich ermittelt

Was war an diesem 5. Juli 2006 im Bitburger Wald geschehen? Diese Frage stellt sich Jamal ständig. Der Ordtech-Betriebsleiter hatte kurz nach dem Unglück im TV-Interview gesagt, die beiden Männer hätten lediglich beim Umzug der Firma von Luxemburg nach Bitburg geholfen. Um Explosivstoffe habe es sich nicht gehandelt. Jamal glaubt das nicht. "Dieser Mann muss bestraft werden. Er hat Arbeiter ohne Ausbildung und ohne Schutzkleidung mit gefährlichen Stoffen hantieren lassen. Das ist in meinen Augen kein Unfall, sondern Mord!" Auch die Staatsanwaltschaft Trier hatte in diesem Fall ausführlich ermittelt. Sie hält den Betriebsleiter nicht wie Hussein Jamal der fahrlässigen Tötung für schuldig. Sie legt dem Verantwortlichen von Ordtech zur Last, dass er "fahrlässig eine genehmigungsbedürftige Anlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben habe" und er "fahrlässig (…) mit explosionsgefährlichen Stoffen umgegangen sei". In dem Strafbefehl heißt es, die beiden Arbeiten hätten ein Gemisch aus Magnesiumpulver und Teflongranulat hergestellt. Der Ordtech-Betriebsleiter wurde zu einer Geldstrafe von 2000 Euro verurteilt. Das Urteil ist seit Januar 2008 rechtskräftig. In den Augen des Vaters ist dies lächerlich.Kurz nach dem Unglück hatte sich der Betriebsleiter tief bestürzt gezeigt und versichert, er werde die Familien der Opfer nicht im Stich lassen. Die Realität sieht laut Jamal jedoch anders aus. Der Verantwortliche von Ordtech hätte der Familie Jamal zwar Geld geschickt, um nach dem Unglück in Koblenz in der Nähe ihres Sohnes übernachten zu können. "Danach haben wir keinen Cent mehr gesehen", sagt Jamal. "Dazu gebe ich keinen Kommentar", lautet die Antwort des Betriebsleiters, als er von unserer Zeitung mit Jamals Vorwürfen konfrontiert wird.Doch Hussein Jamal will nicht aufgeben: "Ich möchte alles wissen." Zurzeit versucht er, Kontakt zu der Familie des anderen Opfers aufzunehmen: "Vielleicht können wir gemeinsam etwas bewirken."

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