Der Arzt, dem die Wehren vertrauen

Speicher · Zur Arbeit eines Feuerwehrmannes gehört mehr als das Löschen von Bränden. Schwerverletzte aus Autowracks ziehen oder die Leichen von Selbstmördern zu bergen - so etwas kann der Psyche zusetzen. Der Speicherer Mediziner Michael Hördt betreut seit Jahren Einsatzkräfte, die mit solchen Problemen zu kämpfen haben. Nun wurde er zum Kreisfeuerwehrarzt ernannt.

 Während Wehrführer Frank Henrichs mit Atemgerät auf dem Laufband schwitzt, hört Feuerwehrarzt Martin Hördt (rechts) ihn ab. TV-Foto: Christian Altmayer

Während Wehrführer Frank Henrichs mit Atemgerät auf dem Laufband schwitzt, hört Feuerwehrarzt Martin Hördt (rechts) ihn ab. TV-Foto: Christian Altmayer

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Speicher. Manchmal kommt jede Hilfe zu spät: Etwa wenn Menschen nur noch tot aus den Flammen oder aus einem Unfallwagen geborgen werden können. Oder dann, wenn die Einsatzkräfte mal wieder einen Selbstmörder finden - unter einer Brücke oder auf den Bahngleisen.
Es sind Einsätze wie diese, die manch einen Feuerwehrmann Jahre verfolgen. "Die Bilder lassen einen nicht los", sagt Michael Hördt. Er spricht aus Erfahrung. Der Speicherer Arzt erlebt in seinem Berufsalltag selbst belastende Situationen, etwa, wenn Patienten sterben.
Der 50-Jährige mit den graumelierten Haaren und der warmen Stimme kann sich hineinfühlen in die Feuerwehrleute, die zu ihm in die Praxis kommen. Sie erzählen ihm, dass sie Angst haben vor dem Ausrücken, dass der Anblick der Einsatzkleidung oder das Piepsen des Warnmelders sie erinnern an all das, was sie eigentlich vergessen wollen - tote Kinder, abgeschnittene Gliedmaßen, verbrannte Körper.
Hördt ist für sie mehr als nur ein Arzt - er ist auch ein Seelsorger, ein Freund. Und er ist der einzige Mediziner im Kreis, der es sich ausdrücklich zur Aufgabe gemacht hat, den Wehren zur Seite zu stehen. Im Juni wurde er zum Kreisfeuerwehrarzt ernannt. Doch wie kam es dazu?
Wer fit ist, kommt zum Einsatz


Es war im Jahr 2004 als der gebürtige Baden-Württemberger in die Eifel zog, weil dort eine Praxis frei wurde. Es dauerte nicht lange, bis der ehemalige Speicherer Wehrführer Arnold Faber an seine Tür klopfte. Seine Frage: Ob er es sich nicht vorstellen könne, Feuerwehrarzt zu werden. Hördt willigte ein, obwohl er damals keine besondere Verbindung zur Feuerwehr hatte, wie er heute sagt. Seit nunmehr 12 Jahren widmet er sich jetzt diesem Ehrenamt. Zu seinen Aufgaben gehören, neben der psychologischen auch die gesundheitliche Betreuung der Einsatzkräfte.
Alle drei Jahre muss sich seine Truppe Tests unterziehen - sie bekommen unter Hördts Aufsicht ein EKG, er nimmt ihnen Blut ab, untersucht sie auf Krankheiten. Und auch die Fitness seiner Truppe überwacht der Arzt. Dazu lässt er die Speicherer mit Atemgeräten 20 Minuten übers Laufband rennen oder auf dem Fahrrad strampeln. Wer die Tests nicht schafft, darf nicht ausrücken - da ist Hördt rigoros, denn: Jeder, der nicht belastbar genug ist, gefährdet sein Leben und das seiner Partner.
Apropos Gefährdung: Wie sieht es mit Alkohol im Dienst aus? "Ein absolutes Tabu", sagt Hördt, das Klischee vom trinkenden Feuerwehrmann: "völliger Unsinn". Betrunken im Einsatz? Einer solchen Gefahr würde kein Feuerwehrmann seine Kameraden aussetzen. Und Hördt ist einer von ihnen, diesen Kameraden. Obwohl er im eigentlichen Sinne kein Feuerwehrmann ist, vertrauen ihm die Truppen.
70 Stunden reichen ihm nicht


Das zeigt sich auch darin, dass der Speicherer vorgeschlagen wurde für das Ehrenamt des Kreisfeuerwehrarztes - eine Stelle, die über Jahre nicht besetzt war. Und natürlich hat er zugestimmt.
Was genau seine Aufgaben sein werden, sei noch nicht abschließend geklärt, sagt er. Im Augenblick mache er eine Fortbildung in Koblenz - dort lerne er unter anderem auch etwas über Einsatztaktik. Denn Kreisfeuerwehrärzte sollen vor allem bei Großeinsätzen zu Rate gezogen werden.
Eines ist auf jeden Fall klar: Für Hördt wird das neue Amt vor allem mit noch mehr Arbeit verbunden sein. Denn auch bei seiner freiwilligen Tätigkeit in Speicher will er nicht zurückstecken - und das trotz 70-Stunden-Woche, wie er sagt: "Ich brauche das." Für andere Hobbies bleibe da allerdings wenig Zeit. Ob die Familie, seine zwei Kinder, darunter leiden? "Die sind das gewohnt", sagt er. Jetzt hat er auch angeboten traumatisierte Feuerwehrleute aus anderen Wehren zu betreuen - nicht nur die aus der Speicherer Truppe. Dabei merkt er selbst, dass es ihn belastet, ständig ihre Geschichten zu hören. Und mit dem Alter werde es nicht einfacher, im Gegenteil. "Es ist die Summe der Erfahrungen, die einem zu schaffen macht", sagt er: "Aber solange ich noch die Kraft habe, mache ich das gerne."

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