Der Bürgermeister der VG Südeifel im TV-Interview: "Wir werfen die Flinte nicht ins Korn"

Neuerburg/Irrel · Die Kommunen der Verbandsgemeinde Südeifel sind überaltert und hoch verschuldet. Helfen können nur Windräder. Das sagt jedenfalls Bürgermeister Moritz Petry. Das neue Landesentwicklungsprogramm habe den Gemeinden nun die Existenzgrundlage entzogen.

Der Bürgermeister der VG Südeifel im TV-Interview: "Wir werfen die Flinte nicht ins Korn"
Foto: (e_eifel )

Der Bescheid, auf den die Neuerburger und Irreler Windkraftplaner seit Monaten warten, ist endlich da: Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord hat das Zielabweichungsverfahren abgeschlossen (der TV berichtete). Nur fiel die Entscheidung der Behörde in Koblenz nicht so aus, wie sich die Verwaltung der Verbandsgemeinde (VG) Südeifel und die Projektierer das erhofft hatten. Der Flächennutzungsplan wurde zwar teilweise genehmigt - aber eben nur teilweise.

Wir haben mit VG-Bürgermeister Moritz Petry über die Probleme mit und die Kritik an den Windkraftplänen der Verwaltung gesprochen.

Herr Petry, was bedeutet die Entscheidung der SGD Nord für die Verbandsgemeinde Südeifel?
Petry Sie bedeutet für uns, dass mehr als die Hälfte der ausgewiesenen Flächen wegfallen (siehe Info). Das liegt an den Mindestabständen zu Wohngebieten, die die neue Richtlinie der Landesregierung vorschreibt (Landesentwicklungsplan IV). Wir haben zuvor nur 750 Meter eingeplant, 1000 Meter sollen wir aber einhalten. Dadurch schrumpfen Gebiete zusammen oder entfallen komplett.

Nun ist aber schon länger bekannt, dass die Mindestabstände sich ändern werden. Hätte man das nicht vorher in die Planung einbeziehen und somit Geld sparen können?
Petry Das wird uns vorgeworfen. Aber als wir von den Neuerungen erfuhren, war es schon zu spät. Die 850 000 Euro für die Planung waren längst ausgegeben. In vorauseilendem Gehorsam hätten wir alles anpassen können. Aber wir haben auf eine Übergangsregelung gehofft. Bis zuletzt haben die Grünen für uns gekämpft, aber die Windkraftgegner in der FDP und die SPD haben sich durchgesetzt.

Windkraftgegner ist ein gutes Stichwort: Können Sie diejenigen verstehen, die sagen: "Nicht noch mehr Spargel in der Landschaft?"
Petry Ja, natürlich kann ich die verstehen. Aber wir haben schon deutlich weniger Flächen ausgewiesen als ursprünglich geplant. Das war der Kompromiss. Außerdem sollen die meisten Rotorentürme auf Ackerland stehen und nicht etwa im Wald. Biotope und Gegenden, in denen seltene Tiere oder Pflanzen vorkommen, haben wir ohnehin größtenteils ausgespart.

Aber die meisten Gebiete liegen doch in der ehemaligen VG Neuerburg, oder?
Petry Das ist korrekt. Das liegt einfach daran, dass die Region dünner besiedelt ist. Zudem gibt es im Norden mehr Höhenlagen, die sich besser für die Anlagen eignen.

Der Grund ist nicht etwa, dass sie als ehemaliger Bürgermeister der Verbandsgemeinde Irrel die Windräder nicht vor der Haustür haben wollen? Das behaupten jedenfalls einige Windkraftgegner aus Neuerburg.
Petry Eine der wenigen Flächen, die wir in der ehemaligen VG Irrel noch geplant haben, liegt direkt vor meiner Haustür, in Holsthum. Sollten dort Anlagen entstehen, könnte ich sie von meiner Terasse aus sehen. Ich denke, damit ist alles gesagt.Genau das ist es übrigens, was die meisten Windkraftgegner nicht haben wollen: Rotoren im Sichtfeld. Beide Seiten müssen aber kompromissfähig sein. Ohne Einnahmen aus Windkraft geht es für die Ortsgemeinden in der VG ums finanzielle Überleben.

Wie schlecht steht es denn um die Kassen der VG, und wie könnten die Anlagen helfen?
Petry Viele Ortsgemeinden und auch die VG selbst sind hoch verschuldet. Ein Grund ist, dass wir kaum Gewerbesteuer einnehmen. Ein weiterer, dass viele Südeifeler in Luxemburg arbeiten und dort ihre Einkommenssteuer zahlen. Wir brauchen aber Geld, um Straßen zu sanieren, Schwimmbäder zu betreiben, alte Gebäude abzureißen und neue hochzuziehen. Die Windräder hätten den bettelarmen Kommunen helfen können, eine Existenzgrundlage zu schaffen. Ohne Investitionen werden wir es auch nicht schaffen, Touristen und junge Familien in unsere Dörfer zu locken. Wir befinden uns in einer Abwärtsspirale. Der ländliche Raum überaltert und stirbt aus. Jetzt hilft uns wahrscheinlich nur noch ein Wunder - oder Sonderbedarfszuweisungen des Landes.
Das klingt ja ganz schön düster. Gibt es denn keine andere Möglichkeiten, etwas einzunehmen?
Petry Wir werfen die Flinte ja nicht ins Korn. Wir kämpfen weiter für unsere Region. Das Ehrenamt, das unsere Bürger leisten, ist unbeschreiblich. Dazu gehört, dass wir an allen Ecken und Enden sparen. Außerdem haben die Gemeinden die Grundsteuern deutlich erhöht.

Aber das Zielabweichungsverfahren ist jetzt erstmal ein Dämpfer. Was will der VG-Rat unternehmen?
Petry Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir nehmen den Entscheid der SGD Nord so hin, oder wir legen Widerspruch ein. Letzteres hätte vielleicht langwierige Rechtsstreitigkeiten zur Folge, Ersteres eine Umplanung. Die würde aber auch Zeit und Geld verschlingen. Was wir jetzt tun, muss der Rat entscheiden.

Die SGD Nord hat außerdem eine neue Kartierung der Biotope angefordert. Was hat es damit auf sich?
Petry Wir haben die Biotope zwar erfasst, aber nicht nach einer Richtlinie aus dem Jahr 2015 bewertet. Es könnten daher besonders schützenswerte Gebiete darunter sein - ohne dass wir das wissen. Wir haben Kartierer rausgeschickt, die das überprüfen.

Christian AltmayerInterview Windkraft in der SüdeifelExtra: Zahlen und Fakten

 Moritz Petry. Tv-Foto/Archiv: Klaus Kimmling

Moritz Petry. Tv-Foto/Archiv: Klaus Kimmling

Foto: klaus kimmling (kik), klaus kimmling ("TV-Upload kimmling"


Zurzeit gibt es in der Verbandsgemeinde Südeifel 37 Windräder. Doch ihre Zahl ist womöglich sogar rückläufig. Einige der Anlagen sind Jahrzehnte alt, werfen kaum noch Gewinne ab. Die Projektierer planen laut Bürgermeister Moritz Petry schon den Abbau von etwa 17 Anlagen. Und wenn der Rat dem Zielabweichungsverfahren zustimme, würden wohl auch nicht mehr als 10 bis 12 hinzukommen, so Petry. Das entspricht etwa 2,6 Prozent der Fläche der Verbandsgemeinde. Ursprünglich waren 5,6 Prozent, also etwa 50 bis 60 Turbinentürme, geplant. Pro Jahr rechnet die Verwaltung damit, dass der VG durch das Wegfallen der Sonderflächen rund 650 000 Euro entgehen. Ganz zu schweigen von dem Verlust, der den Planern, zu denen auch die Ortsgemeinden gehören, entsteht.

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