Der Fußball vereint, die Fusion spaltet

Ein Fußballspiel dauert in der Regel 90 Minuten - Kreistags-Sitzungen mitunter länger. Erst nach einer knapp neunstündigen Debatte, gegen 2 Uhr in der Früh', als die deutschen Spieler längst in ihren Hotelbetten schlummerten, endete am Montag im Kreistag nach Aussage von Roger Graef eine der "denkwürdigsten Sitzungen" in seiner Ära als Landrat des Kreises Bitburg-Prüm.

 Fußballspaß in der Kreistags-Pause: Vergnügliches Warten auf die Sparkassen-Vertreter aus Daun. TV-Foto: Rudolf Höser

Fußballspaß in der Kreistags-Pause: Vergnügliches Warten auf die Sparkassen-Vertreter aus Daun. TV-Foto: Rudolf Höser

Bitburg. Ein großer Fernseher steht am Montagabend vor dem Sitzungssaal 132 im Bitburger Kreistag. Weise Voraussicht der Verwaltung, die einen langen Abend voraus geahnt hat, oder gar Aberglaube des Landrats Roger Graef? 1978 wollte er sich in Córdoba das Spiel Deutschland gegen Österreich live ansehen - doch er verpasste den Bus. Die 2:3-Niederlage der deutschen Elf soll sich nicht wiederholen - vielleicht deswegen der Fernseher im Vorraum. Alle im Kreistag sind am Montag ein bisschen Fußball - da wird die lange Haarpracht des Schulkonzept-Planers Wolf Krämer-Mandeau schnell als Aberglaube interpretiert: Schließlich wolle sich auch Nationalspieler Christoph Metzelder erst dann wieder rasieren, wenn die deutsche Elf bei der EM ausscheidet. "Zwischenstände" aus Daun werden per SMS durchgegeben - dort wird zeitgleich über die Fusion der Kreissparkassen Vulkaneifel und Bitburg-Prüm beraten. Das Laptop des TV-Redakteurs wird belagert: volksfreund.de informiert über die aktuelle Entwicklung in Daun.Die Geschehnisse in Bitburg im Zeitraffer:20.45 Uhr: Im Wiener Stadion feiern deutsche und österreichische Fans lautstark den Anstoß, in Bitburg dagegen ist es mucksmäuschenstill: Ein Rechtsexperte informiert die Kreistagsmitglieder über rechtliche Konsequenzen, sollten sie für die Fusion stimmen. 20.50 Uhr: Ein Aufschrei aus dem Fernseh-Zimmer löst im Saal Unruhe aus. Eine Gewissensfrage: Fußball oder Fusion?21.10 Uhr: Auf dem Rasen in Wien kicken elf deutsche Spieler um den Einzug ins Viertelfinale, elf Kreistagsmitglieder drücken ihnen in Bitburg vor dem Schirm die Daumen.21.30 Uhr: Pause in Wien, Pause auch in Bitburg. Doch während die Fußballer nach 15 Minuten ihre Arbeit wiederaufnehmen, beginnt für die Kreistags-Fraktionen eine Hängepartie: Keiner weiß, wann die Vertreter des Sparkassen-Giroverbands aus Daun nach Bitburg kommen. Erst dann kann die Sitzung weitergehen.21.47 Uhr: Anstoß zur zweiten Halbzeit in Wien: Der Saal in Bitburg ist leergefegt, alle tummeln sich im Vorraum - Kneipenstimmung macht sich breit. 21.51 Uhr: Endlich: Tor in Wien, 1:0! Jubel im Bitburger Kreistag. Fußball vereint fraktionsübergreifend. Statt mit Bier wird allerdings mit Kaffee angestoßen.22 Uhr: Zeitlupe vom Torschützen Michael Ballack. Eine entschlossene, fast grimmige Miene. "Was macht der denn für ein Gesicht?" - "Wie die Dauner nach der Fusion!"22.20 Uhr: Das Spiel plätschert dahin, allmählich tritt in Bitburg wieder die Politik in den Vordergrund. Wo bleiben nur die Sparkassen-Vertreter aus Daun?22.36 Uhr: Aus, aus - das Spiel ist aus! Deutschland ist im Viertelfinale! Doch wie geht es in Bitburg weiter? Landrat Graef versucht sich im Sarkasmus: "Setzt Euch. Die CDU bestreitet das Unterhaltungsprogramm." 22.45 Uhr: Vor dem Kreistagsgebäude toben die deutschen Fans, im Saal wird es hitziger. Unmut macht sich breit: "Leute, wir können doch nicht bis morgen früh hier sitzen."23.30 Uhr: Nervenprobe in Bitburg. Die Getränke werden knapp. Keiner weiß, wann es weitergeht. "Das ist wie Sippenhaft", heißt es aus den Reihen der SPD.1 Uhr: Endlich - die Kreistagssitzung wird fortgesetzt.1.59 Uhr: "Abpfiff" im Kreistag: 27:10 gewinnen die Fusions-Befürworter die Kreistags-Abstimmung. Ob damit allerdings schon das Finale geschafft ist, bleibt abzuwarten.

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