"Der Glaube ist die Provokation schlechthin"

PRÜM. Der Trierer Bischof Reinhard Marx hat Gläubige aufgefordert, sich offensiver in die christliche Gemeinschaft einzubringen und den Kindern religiöse Erfahrungen zu vermitteln. Rund 150 Gäste diskutierten in der Bertrada-Grundschule Prüm.

Über zu geringen Zuspruch hat sich das Grundschulforum nie beklagen müssen. Doch an diesem Abend drängen sich die Besucher sogar in den hintersten Winkeln der Aula. Kein Wunder: Der Bischof kommt. Und sein Ruf als Mann des offenen Wortes und freundlichen Umgangs eilt ihm voraus.Rektor Klaus Hack nutzt die Gelegenheit zum öffentlichen Dank an Schulsekretärin Cilli Eichstaedt, die auch beim 40. Forum viel Vorarbeit geleistet hat, ebenso wie die Partner von der Katholischen Erwachsenenbildung. "Brauchen unsere Kinder Gott?" lautet das Thema von Reinhard Marx. Sein erster Appell: "Kein nostalgischer Blick zurück und keine überzogene Fantasie." Die moderne Zeit bedeute für den Einzelnen ein Vielfaches an Freiheit, aber auch die Qual der Wahl. Der Zwang zur Entscheidung lasse die Unsicherheit wachsen. Erziehung verlange größere Anstrengungen, damit eine starke, entscheidungsfähige Persönlichkeit heran wachse. "Das Dreieck Familie, Schule und Kirche ist zerbrechlich geworden", stellt der Bischof fest. Und macht Werbung für religiöse Erziehung: "Der Glaube an Christus bringt Erkenntnis- und Lebensgewinn, ein Mehr an Dynamik und Kraft." Jeder Mensch sei etwas Wunderbares. Ein Geschenk, von Liebe erfasst, die das ganze Leben und über den Tod hinaus trage.Marx kritisiert die Beliebigkeit, mit der sich Menschen heute ihre Religion zurechtbastelten. "Der christliche Glaube ist die Provokation schlechthin: Gott ist Mensch geworden, der für uns gestorben ist und uns gerettet hat. Das ist vielen zu konkret, zu sperrig." Glaube müsse sich umfassend entwickeln, nicht nur im Unterricht, sondern auch durch Erfahrungen in der Familie. Statt Schuldzuweisungen sollten alle helfen, dass Kinder eine lebendige Glaubensgemeinschaft erfahren.Bei der Diskussion weist Marx Befürchtungen zurück, Messdienerinnen könnten abgeschafft werden (der TV berichtete): "Das ist abwegig und kein Thema für mich." Kritische Zuhörer legen nach, verweisen auf Priestermangel, geplante Zusammenschlüsse von Dekanaten und Defizite bei der Jugendarbeit. Marx droht in die Defensive zu geraten. Doch er tritt die Flucht nach vorne an: "Durch die kooperative Seelsorge können wir auch viel gewinnen. Es ist eine Bereicherung, mit anderen Dörfern zusammenzuarbeiten."So könnten zum Beispiel Kinder- und Jugendscholas entstehen, die neue Lieder singen und über die Dörfer ziehen. Gläubige sollten sich nicht nur zur Messe treffen. Bibelkreise, Vorbereitung von Kindergottesdiensten, Jugendfahrten, Bildungsarbeit und auch politische Gemeindearbeit im christlichen Sinn seien gefragt. Bestürzt reagiert Marx auf den Hinweis einer Mutter, engagierte Eltern würden stets ausgebremst, wenn sie sich mit ihren Ideen beim Pastor einbringen wollten: "Das darf nicht sein. Da müssten Sie sich an den Dechant, Regionaldekan oder Bischof wenden."

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