Der Herr der Liste

BITBURG/GILZEM. Tausende Menschen sind im vergangenen Jahrhundert von Eifel, Mosel und Saar ins Ausland fortgezogen. Wer wissen will, wohin es die Verwandten zog, kann in einer umfangreichen Datenbank recherchieren, die am Sonntag im Kreismuseum Bitburg-Prüm vorgestellt wird.

 Auf nach Amerika: Tausende Eifeler zogen im 19. Jahrhundert über das Meer gen Westen. 150 Jahre später können Geschichtsinteressierte und Familienforscher per Datenbank abfragen, wohin es die reisefreudigen Verwandten einst zog. Erstellt hat die Datenbank Heimathistoriker Werner Lichter. TV-Foto: Miguel Castro

Auf nach Amerika: Tausende Eifeler zogen im 19. Jahrhundert über das Meer gen Westen. 150 Jahre später können Geschichtsinteressierte und Familienforscher per Datenbank abfragen, wohin es die reisefreudigen Verwandten einst zog. Erstellt hat die Datenbank Heimathistoriker Werner Lichter. TV-Foto: Miguel Castro

Jeder Name im Computer von Werner Lichter steht für eine Geschichte. Etwa der von Anton Wilhelm Mergen aus Ernzen, heute Teil der Verbandsgemeinde (VG) Irrel, der 1856 mit Ehefrau und sieben Kindern Richtung Argentinien auswanderte. Bernhard Adams' Name taucht im selben Jahr im Anzeiger zum Trierer Amtsblatt auf. "Gesucht" werde der Steffelner (Landkreis Vulkaneifel) von den Behörden, weil er "ohne Consens", ohne legale Zustimmung, die Region verlassen hat. Und Johann Kirsch aus Mettendorf (VG Neuerburg) hat als Viehhirte und Tagelöhner eine schwierige Existenz, was ihn bewogen haben mag, in den USA eine neue Heimat zu finden. Auch im gleichen Jahr.Suche in Archiven und auf Trödelmärkten

Die Geschichte von Werner Lichter beginnt etwa 130 Jahre später. Der 17-jährige Schüler, gebürtiger Trierer, aufgewachsen in Gilzem (VG Irrel), langweilt sich, der Unterricht ist ausgefallen. Lichter macht sich Gedanken über seine Herkunft. Ein Mitarbeiter des Trierer Bistumsarchiv pflaumt ihn an, "watt müst dou kleen Kerlschen da lo?", doch der Schüler bekommt Zugriff auf alte Geburtsakten, forscht unter seinen Vorfahren. Die Neugier des Jungforschers ist endgültig geweckt, als er in Gilzem die Geschichten früherer Auswanderer hört. Lichter steckt seine Nase in alte Notar-Archive, sucht auf Trödelmärkten und später im Internet. Stück um Stück entsteht eine Datenbank. 2000 Namen hat er bereits recherchiert, als der junge Mann die Daten in einen Computer tippt. 1995 berichtet der TV über den jungen Heimatforscher. Da sind es bereits 6200 Namen. Heute lebt Lichter wieder in Trier, ist 39 Jahre alt und Herr einer Liste mit den Namen von 22 000 Auswanderern. Und es sind längst nicht alle. Schätzungen zufolge haben 100 000 Menschen im 19. Jahrhundert ihre Heimat verlassen, zumeist Richtung Amerika, fort vom kargen Leben in der Eifel, an Mosel oder im Hunsrück. Lichter hat die Namen dieser Auswanderer katalogisiert, teils umfangreich ergänzt und Familienverbindungen nachvollzogen. Eine Mammutaufgabe, und - glaubt man Lichter - in Deutschland einzigartig. "Lust am Puzzle" sei seine Motivation für die zeitaufwändige Arbeit. Ein vollständiges Bild werde er jedoch nie bekommen. Besonders schmerzt es ihn, dass dies auch für Vorfahr Friedrich gilt. "Ich weiß nur, dass er 1856 mit 60 Jahren in die USA zog. Warum, wohin, und was er dort machte, bleibt unbekannt. Das ist manchmal frustrierend."Präsentation im Bitburger Kreismuseum

Die Arbeit an seiner Datenbank wird der Heimatforscher nicht aufgeben. "Diese Namen stehen für Realität, das ist spannend" Lichter lobt die Autoren der 200 Familienbücher für den früheren Regierungsbezirk Trier. "Ohne ihr Werk wäre meine Arbeit nicht möglich gewesen." Lichters Datenbank soll zukünftig im Internet verfügbar sein. Solange bleibt nur der Gang ins Museum. Am Sonntag, 25. April, 15 Uhr, wird Lichters Datenbank im Kreismuseum in Bitburg erstmals öffentlich vorgestellt - im Rahmen der laufenden Migrations-Ausstellung (der TV berichtete). Bis zum 3. Juni können Museumsbesucher sich informieren, welche Vorfahren wann und wohin fortzogen. Familienname und Ort reichen aus. Wer zur Datenbank mit Informationen zu ausgewanderten Vorfahren beitragen möchte, kann sich gerne an Werner Lichter wenden. Adresse: Lindenstraße 1, 54294 Trier.

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